Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön
Autoren: Judith Winter
Vom Netzwerk:
Störrisch-Hartes, das unsanft in ihre Gelenke schnitt. Kabelbinder vielleicht. Aber warum tat er das alles? Worum ging es diesem Mann?
    Eine Verwechslung, durchfuhr es sie.
    Er hält mich für jemand anderen.
    Augenblicklich klammerte sich ihr Verstand an diese Möglichkeit wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Er würde seinen Irrtum bemerken. Vielleicht hatte er ihn längst bemerkt.
    Und dann?, hämmerte es hinter ihrer Stirn. Was ist die Konsequenz? Dass er dich gehen lässt? Immerhin hast du nicht viel von ihm zu Gesicht bekommen. Deine Erinnerungen stellen also keine Gefahr für ihn dar.
    Falls er das weiß …
    Oder hatte er sie am Ende längst entsorgt?
    Jenny erschrak vor dem Wort, das ihre Gedanken gewählt hatten. Entsorgt. Zugleich schienen sich die nicht vorhandenen Wände langsam auf sie zuzubewegen und den Raum, der sie umgab, weiter einzuengen. Wie eine Müllpresse …
    Jenny begann zu zappeln, und es gelang ihr tatsächlich, die Hüfte zu drehen und ihre gefesselten Beine ein Stück zu sich heranzuziehen. Doch weit kam sie nicht. Da war ein Widerstand, links von ihr. Die Wand, die sie bislang nur erahnt hatte. Sie war wirklich und wahrhaftig da ! Sie nahm alle Kraft zusammen und warf sich herum. Auf die andere Seite. Nach rechts. Aber auch dort war nach wenigen Zentimetern Schluss.
    Oh mein Gott! Sie erstarrte. Es ist ein Sarg!
    Nein! Bitte nicht! BITTE!
    Das Pochen ihres Blutes schwoll an zu einem infernalischen Rauschen. Es drängte von innen gegen ihr Trommelfell undpochte unter den Kabelbindern, die ihre Gelenke zusammenhielten.
    Ich platze, dachte sie voller Entsetzen. Ich explodiere. Aus mir selbst heraus …
    Dann verlor sie erneut das Bewusstsein.
3
    Em aß mit Tom Ahrens zu Mittag, einem alten Ausbildungskameraden von der Akademie, mit dem sie sich vom ersten Tag an glänzend verstanden hatte. Tom war intelligent, gewissenhaft und trotz der guten Arbeit, die ihm allerorts attestiert wurde, weit davon entfernt, ein Macho oder gar ein Angeber zu sein. Augenblicklich tat er Dienst in der Abteilung für Rauschgiftdelikte, doch Em wusste, dass er bereits seit Jahren von einem Wechsel zur Mordkommission träumte. Umso mehr freute es sie, dass sich ihrem Kumpel jetzt vielleicht die Chance bieten würde, auf die er schon so lange hinarbeitete.
    »Und?« Sie warf ihren Mantel über einen Stuhl und nahm an dem kleinen Fenstertisch Platz. »Hast du schon irgendwas gehört?«
    Tom schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
    »Seltsam.« Sie schürzte die Lippen. »Wo sie doch immer so ein Trara machen von wegen unterbesetzt und so.«
    »Das ist es ja«, entgegnete er mit einer Miene, die nicht besonders optimistisch wirkte. »Allmählich mache ich mir wirklich Sorgen.«
    Doch Em wischte seine Bedenken mit einer knappen Handbewegung vom Tisch. »Ach was, das wird schon werden«, beruhigte sie ihn. »Ich sehe absolut keinen Grund, warum sie dich ablehnen sollten. Ganz abgesehen davon, dass ich mich mächtig für dich ins Zeug gelegt habe.«
    Seine Augen suchten ihre. »Und ich dachte immer, du hältst nichts von mir.«
    »Tue ich auch nicht«, erwiderte sie todernst. »Ich brauche nur so schnell wie möglich wieder jemanden, der für mich die Drecksarbeit erledigt.«
    »Ich soll also dein Laufbursche werden, hm?«
    »Warst du das nicht immer?«
    »So also siehst du unsere Beziehung?«
    »Natürlich. Sag nur, du hast dir was anderes eingebildet?«
    »Klar habe ich das.« Er grinste. »Aber sieh dich vor, Schätzchen. Das mit dem netten Jungen von nebenan ist nämlich alles nur Tarnung, um dich in Sicherheit zu wiegen. In Wirklichkeit bin ich darauf aus, dich so schnell wie möglich rechts zu überholen. Und wenn ich dich erst mal ausgebremst habe, krieg ich zuerst deinen Schreibtisch und dann deine Litzen, und anschließend …«
    »In hunderttausend Jahren nicht«, lachte Em, indem sie sich vergnügt eine Speisekarte vom Nebentisch angelte. »Dazu fehlt es dir nicht nur an Intellekt, sondern auch an Intuition, Fleiß und Durchhaltevermögen. Und außerdem bist du Fan von Borussia Mönchengladbach.«
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Es entlarvt dich als notorischen Loser.«
    Tom quittierte die Stichelei mit einem nachsichtigen Lächeln. »Wenn es um Fußball geht, kann man von einer Frau keinen Sachverstand erwarten.« Er lehnte sich zurück. »Und wie ist es bei Gericht gelaufen?«
    Sie zuckte die Achseln. »Wie zu erwarten war.«
    »Das bedeutet, Sarah Kindle ist raus?«
    »Ja, sie ist eine freie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher