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Sie

Titel: Sie
Autoren: Stephen King
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wegbekommen. Ich habe Ihnen Keflex, ein Antibiotikum, gegeben. Es war ein- oder zweimal ziemlich knapp, aber das ist jetzt vorbei. Das verspreche ich Ihnen.« Sie stand auf. »Aber jetzt ist es Zeit, dass Sie sich ausruhen, Paul. Sie müssen wieder zu Kräften kommen.«
    »Meine Beine schmerzen.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen. In einer Stunde bekommen Sie wieder Ihre Medizin.«
    »Jetzt. Bitte.« Es beschämte ihn zu flehen, aber er konnte nicht anders. Die Flut war zurückgegangen, die gesplitterten Pfähle lagen bloß, sehr real in ihrer Schartigkeit, und er konnte sie weder ignorieren, noch durfte er sie beachten.

    »In einer Stunde.« Nachdrücklich. Mit Löffel und Suppenschüssel in der Hand ging sie zur Tür.
    »Warten Sie!«
    Sie drehte sich um und sah ihn mit einem strengen und zugleich liebevollen Ausdruck an. Der Ausdruck gefiel ihm nicht. Er gefiel ihm ganz und gar nicht.
    »Es ist zwei Wochen her, seit Sie mich gefunden haben?«
    Sie sah wieder unbestimmt und gereizt drein. Er würde noch herausfinden, dass ihr Zeitgefühl alles andere als gut war.
    »Ungefähr.«
    »Ich war bewusstlos?«
    »Fast die ganze Zeit.«
    »Was habe ich gegessen?«
    Sie sah ihn an.
    »I. v.«, sagte sie knapp.
    »I. v.?«, sagte er, und sie missdeutete seine Verblüffung als Unwissenheit.
    »Ich habe Sie intravenös ernährt«, sagte sie. »Über Schläuche. Daher stammen die Narben an Ihren Armen.« Sie sah ihn mit Augen an, die plötzlich ausdruckslos und abschätzend waren. »Sie verdanken mir Ihr Leben, Paul. Ich hoffe, Sie denken daran. Ich hoffe, Sie vergessen das nicht.«
    Dann ging sie hinaus.

7
    Die Stunde verging. Irgendwie und endlich verging die Stunde.
    Er lag im Bett und schwitzte und zitterte gleichzeitig. Aus dem Nebenzimmer hörte er zuerst die Stimmen von Hawkeye und Hot Lips, dann die Discjockeys von WKRP, diesem wilden und verrückten Rundfunksender in Cincinnati. Ein Sprecher pries Ginsu-Messer an, nannte eine 800er-Telefonnummer und informierte die Zuschauer in Colorado, die es kaum noch erwarten konnten, ein Set Ginsu-Messer zu kaufen, dass der telefonische Kundendienst sich nun bereithielt.
    Auch Paul Sheldon hielt sich bereit.
    Als die Uhr im Nebenzimmer acht schlug, erschien sie prompt wieder und brachte zwei Kapseln und ein Glas Wasser.
    Er stützte sich erwartungsvoll auf die Ellbogen, während sie sich auf das Bett setzte.
    »Vor zwei Tagen habe ich endlich Ihr neues Buch bekommen«, sagte sie zu ihm. Eis klirrte in dem Glas. Es war ein nervtötendes Geräusch. » Miserys Kind. Gefällt mir … Es ist so gut wie alle anderen. Besser! Das beste!«
    »Danke«, brachte er heraus. Er konnte den Schweiß auf der Stirn spüren. »Bitte meine Beine große Schmerzen …«
    »Ich habe gewusst , dass sie Ian heiraten würde«, sagte sie und lächelte verträumt, »und ich glaube, dass Geoffrey und Ian irgendwann wieder Freunde werden. Werden sie doch, oder?« Aber sie fuhr sofort fort: »Nein, nicht verraten! Ich möchte es selbst herausfinden. Es muss eine Weile halten. Es dauert immer so lange, bis ein neues herauskommt.«

    Die Schmerzen pulsierten in seinen Beinen und spannten sich wie ein Stahlreif um seinen Unterleib. Er hatte sich selbst dort unten berührt und glaubte, dass sein Becken unversehrt war, aber es fühlte sich dennoch verdreht und fremdartig an. Unterhalb der Knie schien nichts intakt zu sein. Er wollte es nicht sehen. Er sah die verdrehten, klumpigen Formen, die sich unter dem Laken abzeichneten, und das genügte ihm.
    »Bitte! Miss Wilkes! Die Schmerzen …«
    »Nennen Sie mich Annie. Das tun alle meine Freunde.«
    Sie gab ihm das Glas. Es war kühl und feucht beschlagen. Die Kapseln behielt sie. Die Kapseln in ihrer Hand waren die Flut. Sie war der Mond, und sie hatte die Gezeiten gebracht, welche die Pfähle überschwemmen würden. Sie führte sie zu seinem Mund, den er auf der Stelle weit öffnete … und dann zog sie sie zurück.
    »Ich habe mir die Freiheit genommen, in Ihre Tasche zu sehen. Das macht Ihnen doch nichts aus, oder?«
    »Nein. Selbstverständlich nicht. Die Medizin …«
    Die Schweißperlen auf seiner Stirn fühlten sich abwechselnd heiß und kalt an. Würde er schreien? Er hielt es nicht für ausgeschlossen.
    »Ich habe darin ein Manuskript gefunden«, sagte sie. Sie hielt die Kapseln in der rechten Hand, die sie jetzt ganz langsam kippte. Sie fielen in ihre linke Hand. Er folgte ihnen mit den Augen. »Es heißt Schnelle Autos . Kein Misery -Roman, das weiß
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