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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben
Autoren: Hannah Pilarczyk
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treffe kluge Entscheidungen und rücke einer » strahlenden digitalen Zukunft ein gutes Stück näher. « Ihre dröhnende Warnung: » Der Einsatz, um den es geht, ist denkbar hoch. «
    Mit Lena gegen die »Facebook-Generation«
    In Deutschland hat sich schon früh eine apokalyptische Linie durchgesetzt: Hier werden vor allem die Risiken der Digitalisierung betont. Bereits 1999 warnte der Freizeitkulturforscher Horst Opaschowski in seinem Buch » Generation @ « vor einer » Kurzzeit-Konzentrations-Kultur « und davor, dass durch das Netz viele und wechselnde Kontakte » zur Manie « würden, deren Folge eine » Oberflächlichkeit der Beziehungen « sei.
    Diese Befürchtungen hat besonders der » FAZ « -Herausgeber Frank Schirrmacher in seinem Bestseller » Payback « massentauglich aufbereitet. Auch wenn er sich nicht explizit auf Jugendliche bezieht, ist klar, wer vor allem gefährdet ist, wenn er von den Risiken der Informationsüberflutung schreibt: » Wir werden aufgefressen von der Angst, etwas zu verpassen, und von dem Zwang, jede Information zu konsumieren. Wir werden das selbständige Denken verlernen, weil wir nicht mehr wissen, was wichtig ist und was nicht. Und wir werden uns in fast allen Bereichen der autoritären Herrschaft der Maschinen unterwerfen. « Zuletzt haben die Netzexperten Nicholas Carr ( » Wer bin ich, wenn ich online bin…: Und was macht mein Gehirn solange? « ) und Jaron Lanier ( » Gadget– Warum die Zukunft uns noch braucht « ) ähnliche Bedenken angemeldet. Sie betonen, dass Mensch und Technik mittlerweile in einen Kampf darum eingetreten wären, wer wem dienen soll– und dass es so aussähe, als würde der Mensch diesen Kampf verlieren.
    In den deutschen Medien haben die Warnrufe der Internet-Apokalyptiker großes Echo gefunden: Der » Stern « brachte im Sommer 2010 den Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft Philipp Lahm und die » Eurovision Song Contest « -Gewinnerin Lena Meyer-Landrut in Stellung gegen die » Facebook-Generation « , » die Fortpflanzungspartner nur noch online findet, die andere als ›Freunde‹ bezeichnet, ohne sie zu kennen, diese durchdigitalisierte Jugend, von der die Älteren mit Sicherheit wissen, dass sie niemals mehr Zeitungen lesen, keine tiefe Zuneigung empfinden kann. Ein Typus Mensch, der so individualisiert lebt, dass er Mühe hat, sich mit sich selbst zu verabreden. «
    Vergleicht man die Positionen der euphorischen und der apokalyptischen Linien fällt einem die Symmetrie der Argumente auf, denn ihre Bezugspunkte sind jeweils dieselben: Beide Seiten teilen zum Beispiel den Befund, dass junge Menschen heute meist mehrere Dinge gleichzeitig tun– während sie mit ihrem Handy telefonieren, schreiben sie am Laptop eine Instant Message. Das wird von den Einen als Verlust der Konzentrationsfähigkeit bedauert, von den Anderen wiederum als Zugewinn an Multitasking gefeiert. Ein Befund, aber zwei diametral entgegengesetzte Deutungen– dieses Muster setzt sich in der Debatte um jugendliche Internetnutzung fast endlos fort.
Befund
Euphorische Linie
Apokalyptische Linie
Aufstieg der Suchmaschinen
Das Internet als größtes und freiestes Archiv der Welt
Verdummung durch fehlende eigenständige Aneignung von Wissen
Internetnutzung steigt ständig an
Digitale Kompetenzen werden spielerisch ausgebaut
Vereinzelung und Narzissmus
Aufstieg von Social Media (Facebook, Twitter etc.)
Vernetzung jenseits von zeitlichen, geografischen und sozialen Grenzen
Exhibitionismus und Verlust von Privatsphäre
Wachsende Distanz zum Parteienstaat und den Teilnahmeformen der repräsentativen Demokratie
Digitale Demokratie und Ad-hoc-Mobilisierung (Obama-Wahlkampf, Irans Twitter-Revolution)
Entpolitisierung, abnehmendes soziales Engagement
Große Beliebtheit von Filesharing, Mash-ups etc.
Neue Formen von Kreativität, »Schwarmintelligenz«
Ignorantes bis kriminelles Verhältnis zu geistigem Eigentum
    Das Problem im Streit um die » digital natives « ist aber nicht, welche Seite nun Recht hat– ob die Digitalisierung mehr Risiken oder mehr Chancen bringt. Das Problem ist ein ganz anderes: Beide Seiten gehen davon aus, dass Jugendliche das Internet einheitlich nutzen. Doch dafür gibt es keine Belege.
    Â»Wir haben keinen Grund, sie als fremdartig anzusehen«
    Wenn nichts mehr geht, geht immer noch
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