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'Sie können aber gut Deutsch'

'Sie können aber gut Deutsch'

Titel: 'Sie können aber gut Deutsch'
Autoren: Lena Gorelik
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tschechischen Ingenieuren entwickeltes Auto und, ach ja, ist die Mutter seines Chefs nicht Iranerin »oder so was Ähnliches« gewesen?
    Ob wir es wollen oder nicht, ob wir es gutheißen oder nicht, gehören sie, nein, gehören wir zu Deutschland. Wir, mit unserem zweiten (russischen) Pass oder der italienischen Großmutter oder den türkischen Eltern, dem albanischen Geburtsort,
der französischen Muttersprache, den südafrikanischen Vorfahren und so weiter. Diese Aufzählung ist so banal wie unnötig, das sollte sie – eigentlich – sein.
    Wir sind schon lange Teil des deutschen Alltags. Wir kommen nicht erst wie eine große, schwarze, gefährliche Wolke, die langsam aufzieht und uns warnt, sich warm anzuziehen, sonst … (nehmen sie uns die Jobs weg, führen die Scharia ein, verpesten alles mit Knoblauchgeruch, stoßen unsere Rentner auf die U-Bahn-Gleise, treiben die Kriminalitätsrate nach oben, sprechen Sprachen, die fremd in unseren Ohren klingen, bringen ihre eigene Mafia mit …). Nein, wir sind schon da, wie bunte oder auch graue Farbkleckse in der Landschaft, so unterschiedlich, wie Menschen nur sein können, ohne dass wir uns automatisch alle leiden könnten, denn das Einzige, was uns miteinander verbindet, ist, dass wir nicht Urdeutsche sind. Die andere Eigenschaft, die uns untereinander, aber auch mit all den »Urdeutschen« verbindet, ist, dass wir Teil Deutschlands sind.
    So ist das nun mal.
    So sehr sich unsere Frühstücksgewohnheiten, unsere Begrüßungsrituale, unsere Geschichten, auch der Grad unserer Verbundenheit zu diesem Land, die Bereitschaft, dieses Land kennenlernen zu wollen, die Fähigkeit, aktiv an seiner Gestaltung mitzuwirken, voneinander unterscheiden – diese Vielfalt ist Reichtum, der anstrengend und nervenaufreibend, problematisch und großartig zugleich sein kann. Dies ist – und das ist, ohne »eigentlich«, eine unumstrittene Tatsache – unser aller Deutschland.

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    »Such was Neues!«, sagte sie zu mir. Sie war eine von den vielen, mit denen ich über dieses Buch, über dieses Thema sprach, in dem Versuch zu verstehen, wie andere ticken, was sie denken. Wie die Realität jenseits meines Kopfes ist.
    Wir liefen durch die Innenstadt Stuttgarts, wichen den konsumierenden Menschenmassen aus, ich nahm sie kaum wahr. Wie viele Kopftuch-Trägerinnen waren darunter? Wie viele blonde, blauäugige Männer? Es war die Innenstadt einer deutschen Großstadt, es war Alltag, es hätte auch Köln sein können oder Hamburg. »Such was Neues, ein neues Wort!«, sagte sie, nachdem ich irgendeine Frage im Zusammenhang mit Migranten gestellt hatte. Die Frage hatte komplizierter geklungen, als sie tatsächlich war. Kompliziert formuliert deshalb, weil ich Begriffe wie Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund und Ausländer zu vermeiden versuchte. »Ich finde diesen Migrationshintergrund schrecklich!«, fügte sie hinzu, womit sie nicht die Tatsache an sich meinte, sondern den Begriff, der sie umschrieb. Sie sprach mir aus dem Herzen.
    Sie war eine von denen, die sich auskennt, weil sie mittendrin lebt, mittendrin arbeitet, mittendrin ihren Alltag verbringt. Sich mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund befasst, selbst türkischstämmig ist – und schon wieder habe ich zwei dieser Begrifflichkeiten verwendet, scheinbar unreflektiert. Zu Letzterem sagte sie: »Wenn man türkischstämmig sagt und damit auch Kurden meint, sind die Kurden beleidigt. Wie aber sagt man dann?«

    »Such was Neues!«, sagte sie, sie war die Erste, die mich darum bat, aber nicht die Letzte.
    Ja, wie sagt man dann? Lange Zeit hatte man von Ausländern gesprochen, und in diesem Zusammenhang immer häufiger auch von Ausländerhass, Ausländerproblemen, Ausländerfeindlichkeit. Damit hatte der Begriff einen bitteren Beigeschmack bekommen, vielleicht weil keinem der angehängten Begriffe (Hass, Probleme, Feindlichkeit) positive Assoziationen folgten, vielleicht weil der Begriff zunehmend von der rechten politischen Ecke vereinnahmt wurde, vielleicht, weil man über dieses Thema niemals in einem unproblematischen, wertfreien Zusammenhang sprach. Man versuchte also, dem Beigeschmack zu entkommen, indem man dem Ausländer ein freundliches »Mitbürger« hinten anhängte, so dass aus Ausländern ausländische Mitbürger wurden. Die Menschen blieben dieselben, aber wer möchte schon gerne ein Mitbürger sein? Der so ein bisschen mit von der Partie ist, vielleicht, vielleicht auch nicht. Ein
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