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'Sie können aber gut Deutsch'

'Sie können aber gut Deutsch'

Titel: 'Sie können aber gut Deutsch'
Autoren: Lena Gorelik
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warum Filme, in denen bayerischer Dialekt gesprochen wird, in Frankfurt am Main mit Untertiteln gezeigt werden müssen?
    Wir in Deutschland beherrschen von Haus aus einen Umgang mit Vielfalt, von dem viele lernen könnten. Warum aber schaffen wir es dann nicht immer, diesen Umgang auch auf »die andere« Vielfalt zu übertragen? Deutschland ist schon lange mehr als Prof. Dr. h.c. Arthur Schmid und Uschi Müller. Deutschland sind all die Menschen mit den teilweise fremd klingenden Namen, die ich jetzt nicht aufzählen werde, weil es kaum etwas Platteres, Herablassenderes und Naiveres gibt, als zu sagen: Deutschland ist auch: Mohammed, Giovanni und Fatema. Denn das versteht sich (eigentlich) von selbst.
    Ein Nachtrag in eigener Sache: Mehrmals habe ich diesen letzten Satz hingeschrieben. Das Wörtchen »eigentlich« – ein unwichtiges, unnötiges Füllwörtchen – wieder gelöscht, bin noch einmal in mich gegangen, habe es wieder hinzugefügt, den gesamten Satz getilgt und ohne »eigentlich« noch einmal getippt, laut vorgelesen und dann doch wieder das »eigentlich« hinzugefügt, nur um alles wieder zu löschen. Und warum? Weil sich der Satz im deutschen Sprachgebrauch
ohne »eigentlich« unpassend, nicht relativierend genug anhört? Noch einmal der Versuch ohne »eigentlich«: Denn, dass Mohammed und Giovanni und Fatema zu Deutschland gehören, versteht sich von selbst. Ist das Gefühl, mein angebliches Gefühl für die deutsche Sprache, nicht nur für ihre Grammatik, sondern auch für ihren Gebrauch, das Gefühl, dass in diesem Satz etwas, nämlich das Wörtchen »eigentlich«, fehlt, nur in meinem Kopf, mein eigenes, falsches Gefühl? Würden Sie denn, ohne zu zögern, sagen: Dass Mohammed und Giovanni und Fatema zu Deutschland gehören, versteht sich von selbst?
    Zu Deutschland gehören, und jetzt könnte ich aus meiner eigenen Sicht ein »leider« einfügen, auch diejenigen, die diese Entwicklung – nämlich dass all diese Menschen mit den »komischen« oder »Wie-spricht-schreibt-man-das?«-Namen oder auch ohne, auf jeden Fall aber mit dem berühmt-berüchtigten Migrationshintergrund hier leben – nicht gutheißen. Die diese Tatsache verdächtig finden und beängstigend und falsch und vor allem höchst gefährlich. Ob ich das wiederum nun gut heiße oder nicht, auch diese Menschen gehören zu Deutschland, ja, sie sind Deutschland. Das darf ich ihnen nicht absprechen. Aber sie mir meine Zugehörigkeit bitte auch nicht.
    Die Patentante meines Sohnes kommt aus Jugoslawien. Meine beste Freundin ist Russin und ihr Mann Österreicher. Der älteste Freund meines Mannes ist Schwede und seine Frau Schweizerin. Die Freundin, die am selben Tag Geburstag hat wie er, Argentinierin. (Nein, es kommen nicht alle aus der Türkei »und anderen arabischen Ländern«, würde ich gerne hinzufügen, aber eigentlich – schon wieder eigentlich – versteht sich das von selbst.) In unserem Haus leben Amerikaner und Franzosen. Die Frauen, in die sich mein Sohn – mit
sieben Monaten – zum ersten Mal und auf den ersten Blick verliebte, waren eine Griechin und eine Pakistanin. Die Mutter des Kindes, mit dem mein Sohn in der Krippe spielt, ist Engländerin.
    Und ja, ich weiß: Die Menschen, mit denen man sich umgibt, die sucht man sich selbstverständlich aus.
    Deshalb: Jemand, der sich Uwe und Ute und Ulf und Ulrike und (nein, nicht Uschi) Peter zu Freunden aussucht, lässt sich möglicherweise von einem albanischen Busfahrer zur Arbeit fahren, kauft seinen Kaffee vielleicht bei einem afrikanischen Bäckereiverkäufer, arbeitet womöglich mit einem Italiener zusammen (oder nimmt spätestens sein Mittagessen bei einem ein), lässt seine Mutter im Altersheim von einer polnischen Krankenschwester pflegen und sich selbst abends in der Kneipe von einer chilenischen Kellnerin bedienen.
    Ups, kann es sein, dass ich jetzt nur »niedere« Jobs aufgezählt habe, »nieder« in dem Sinne, dass wir sie als solche abgestempelt haben? Sind das denn nun diejenigen Jobs, die sie »uns« deshalb wegnehmen dürfen oder die gerade nicht?
    Nun ja, jedenfalls lässt sich dieser Jemand den ganzen Tag zudem von türkischstämmigen Politikern im Parlament vertreten, liest in der Zeitung Artikel von einem kroatisch-stämmigen Journalisten, lässt sich im Autoradio das Wetter von einem in Spanien geborenen Moderator vorhersagen, fährt zudem ein von indischen, amerikanischen, japanischen, russischen, französischen, türkischen, italienischen,
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