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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft
Autoren: O Kalemi
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mich. Ich war so leicht zu hintergehen gewesen, so einfach zu kontrollieren, ich hatte zu große Angst gehabt, um mich zu wehren, und ich war eine schlechte Mutter, die nicht einmal wusste, wo ihre Kinder waren. Wieso machten sich diese Leute hier überhaupt die Mühe, mir zu helfen?
    Wut und Kummer setzten mir arg zu und überfielen mich ganz plötzlich zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit. Wenn ich spazieren ging, wich oft auf einmal alle Kraft aus meinen Beinen, und dann musste ich mich setzen, und schließlich fing ich an zu zittern und zu weinen. Mitten in der Nacht schreckteich aus Albträumen hoch, schwitzte und zitterte am ganzen Körper. Am liebsten hätte ich dann geschrien und mich in Stücke gerissen. In anderen Momenten wollte ich mich nur noch hinlegen und wäre am liebsten irgendwohin entschwunden, wo es ruhig und dunkel war und ich für immer allein sein konnte.
    Eines Tages ging ich zu Sally.
    »Ich bin jetzt bereit zu reden«, sagte ich. »Ich will den Behörden helfen, soweit ich kann. Wenn die diesen Mistkerlen das Handwerk legen und sie vielleicht sogar bestrafen können, dann werde ich ihnen erzählen, was sie wissen wollen.«
    »Das ist sehr tapfer, Oxana«, sagte Sally leise. »Sie tun das Richtige. Ich weiß, wie schwer das für Sie sein muss.«
    Am nächsten Tag kam ein Beamter vom Sittendezernat zu Poppy, und ich erzählte ihm die ganze Geschichte mit allem, was mir zugestoßen war. Ich verriet ihm, wie Frauen wie ich behandelt wurden, wo man sie versteckt hielt und unter welchen Umständen sie lebten. Ich erzählte ihm von Männern wie Ardy und davon, wie sie mit Frauen handelten und von deren Arbeit lebten, wie sie falsche Pässe und Führerscheine kauften, wie sie nur zu gern das Geld ausgaben, das sie ihren Sklavinnen wegnahmen, und wohin sie gingen, um sich zu amüsieren.
    Aber ich hatte zu große Angst, um ihm zu erzählen, wo ich Ardy davongelaufen war und wo der Beamte ihn wahrscheinlich finden könnte. Ich war ganz krank vor Sorge, dass er sofort an mich und dann an meine Kinder denken würde, wenn einer mit ihm Kontakt aufnahm, und dann wäre sein Rachedurst geweckt.
     
    Ständig gingen mir Gedanken an die Kinder durch den Kopf. Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, regelmäßig mit ihnen zu sprechen, und jetzt, da sie im Waisenhaus waren, war mirselbst das Vergnügen dieses bescheidenen Kontakts nicht vergönnt. Es war die Hölle.
    Einen Teil der sechzig Pfund, die mir Sally nun jede Woche gab, nahm ich dafür, um mit Ira zu telefonieren. Ich flehte sie an, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Kinder zurückzuholen.
    »Ich gebe mir ja die größte Mühe«, sagte sie. »Ich bin zum Waisenhaus gegangen und wollte die gesetzliche Vormundschaft beantragen, aber das ist nicht möglich.«
    »Wo sind sie denn?«
    Ira nannte mir den Namen des Waisenhauses, und ich hätte am liebsten geschrien. Ich wusste alles über das Haus – dahin wurden Kinder geschickt, die gestohlen oder Drogen genommen hatten.
    »Sie wollen mich die Kinder auch nicht besuchen lassen«, fuhr Ira fort. »Ich habe gefragt, ob sie nicht zu mir nach Hause könnten, aber das haben sie abgelehnt, weil ich nur zwei Schlafzimmer habe, kein fließendes heißes Wasser im Haus ist und keine Innentoilette. Und weil ich mich ja schon um Vica kümmern muss. Du weißt doch, wie das ist, Oxana. Die sagen, dass sie jede Menge Unterlagen brauchen, und die habe ich nun mal nicht, also werden sie Sascha und Luda nicht zu mir lassen.«
    Ich wusste ganz genau, wie die Dinge lagen: Die Behörden in der Ukraine wurden nur sehr zögerlich tätig, und das Einzige, was die Räder zum Laufen bringen konnte, war Geld. Aber ich hatte gerade einmal genug für meinen bescheidenen Unterhalt; es blieb nichts übrig, das ich Ira hätte schicken können.
    In meinen schlimmsten Stunden überlegte ich, ob ich nicht wieder zurück in die Prostitution sollte. Von den Leuten bei Poppy würde keiner davon erfahren. Ich könnte einfach in der Nacht an einer Straßenecke stehen, wie ich das in Italiengetan hatte, und dann hätte Tamara ihr Geld zurück, und Ira könnte den Beamten etwas zustecken. Aber sosehr ich auch darüber nachdachte, ich konnte mich nicht dazu überwinden. Sally hatte mir erzählt, dass meine Kinder zu mir dürften, wenn man mir in Großbritannien Asyl gewährte, und ich war fest davon überzeugt, dass sie mich ausweisen würden, wenn sie mich dabei erwischten, wie ich wieder arbeitete. Ich musste alles in meiner Macht
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