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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft
Autoren: O Kalemi
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musste. Sollte das der Fall sein, würde ich zu Hause nicht überleben, das war mir klar. Noch einmal würde ich das nicht durchstehen. Würde ich je hier herauskommen, Sascha und Luda retten und Pascha finden? Würde ich je wieder ihre Mutter sein?
     
    Ein paar Stunden später wurde das Frühstück gebracht – ein Teller mit Würstchen und Bohnen. Essen wollte ich nicht, aber ich war dankbar für die Tasse heißen Tee, die es dazu gab. Ich nahm einen großen Schluck und verbrühte mir den Mund, aber das war mir egal. Ich war zu erschöpft vor Müdigkeit und vom vielen Weinen.
    »Miss Kalemi?«, hörte ich eine Stimme.
    Ich schaute auf und sah zwei Frauen vor mir stehen. Sie waren hinter dem Mann in die Zelle getreten, der mir eben das Frühstück gebracht hatte. Die eine hatte dunkle Haare undwar mittleren Alters, die andere war schlank, blond und sah sehr jung aus.
    »Hallo«, sagte die Jüngere. Sie lächelte mich an.
    Ich konnte kaum den Kopf heben, um sie anzusehen. Ich fühlte mich so schwach.
    »Oxana?«, fragte sie.
    Jetzt sah ich sie richtig an. Sie hatte freundliche Augen. Und einen irgendwie traurigen Gesichtsausdruck.
    »Ich heiße Sally«, sagte sie sanft. »Ich bin vom Poppy Project. Ich will Ihnen helfen.«

KAPITEL 38
    I ch stand vor einem hohen Reihenhaus. Sally stand neben mir, und auch die dunkelhaarige Frau, die Dolmetscherin, war bei uns.
    »So, da wären wir«, sagte Sally und lächelte mich an. »Dies ist das Haus, in dem Sie wohnen können. Es hat drei Zimmer, aber nur eines ist im Moment belegt.«
    »Wie lange werde ich hierbleiben?«, fragte ich, als sie die Tür aufschloss.
    »Für den Anfang vier Wochen, alles Weitere hängt von Ihrem Fall ab. Wir werden sehen.«
    »Werde ich in die Ukraine zurückgeschickt?«
    »Das ist alles ziemlich kompliziert, da müssen wir in Ruhe reden, aber lassen Sie mich Ihnen jetzt erst einmal Ihr Zimmer zeigen.«
    Ich war so müde. Vorhin hatte ich mich im Spiegel gesehen – mein Gesicht war geschwollen und gerötet, meine Augen waren klein, und unter den Augen hatte ich schwarze Ringe.
    Sally redete immer weiter, aber ich hörte nicht zu. Ich fragte mich die ganze Zeit, was wohl mit mir geschehen würde, wenn dieser eine Monat um war. Ich hatte nicht so richtig verstanden, was für eine Art Organisation dies war. In der Ukraine bekam man von wohltätigen Organisationen nur Geld und Lebensmittel, aber keine Häuser.
    »Oxana?«, meinte Sally.
    Ich sah sie an.
    »Wir müssen bis ganz nach oben rauf. Ihr Zimmer ist unter dem Dach.«
    Wir stiegen die Treppe hinauf, und ich hielt beinahe die Luft an, als Sally die Tür zu meinem Schlafzimmer öffnete – es war wunderschön. Die Wände waren knallig rosa gestrichen, es gab ein Einzelbett, neue, noch eingepackte Bettwäsche lag darauf, unter einem Waschbecken stand ein Schränkchen, und zwei Fenster waren in die Dachschräge eingebaut. Ein Zimmer für mich allein hatte ich noch nie gehabt.
    Sally gab mir eine kleine Tasche mit Seife, einem Handtuch, einer Zahnbürste und Shampoo, und dann reichte sie mir noch ein Handy.
    »Wir geben Ihnen jetzt eine Nummer, die Sie jederzeit wählen können, wenn Sie uns brauchen. Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, rufen Sie mich einfach an. Wir wollen Ihnen noch den Rest vom Haus zeigen, und dann können Sie sich ausruhen.«
    Sally führte mich in die Küche und das Wohnzimmer, ehe sie mir neunzig Pfund zusteckte.
    »Damit sollten Sie eine Woche auskommen«, sagte sie. »Sollen wir zusammen rausgehen und für Sie ein paar Lebensmittel einkaufen?«
    Wir gingen in einen Supermarkt, und ich kaufte ein paar Sachen, ehe wir zum Haus zurückkehrten, wo Sally mich dann verließ. Sie sagte, sie wolle am nächsten Tag nach mir sehen. Es war erst zwei Uhr nachmittags, aber meine Beine fühlten sich so schwer an, als ich die Treppe hinaufstieg. Ich nahm die Bettwäsche aus der Verpackung, machte das Bett, legte mich hin und schlief sofort ein.
    Stunden später wachte ich auf, es war mitten in der Nacht, und ich wusste nicht, wo ich war. Ich schaute hoch und konnte die Sterne durch eines der Fenster leuchten sehen. Dann fiel mir wieder ein, dass ich weit weg von der Sauna, der Polizeiwache,der Wohnung, in der ich mit Murat gewohnt hatte, und all den schäbigen, furchtbaren Orten war, an denen ich gelebt hatte. Wie hatte Sally dieses Haus genannt? Es war ein »Zufluchtsort«, hatte sie gesagt. Ein Platz, an dem niemand mich finden würde, wenn ich es nicht wollte. Fürs Erste war ich in
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