Sie haben mich verkauft
»Dies ist eine Routineuntersuchung der Einwanderungsbehörde, und die Beamten hier sind sowohl von dieser Behörde als auch von der Polizei. Wir werden einzeln mit Ihnen reden, aber zuerst brauchen wir Ihre Namen.«
Wir nannten unsere Namen und wurden dann einzeln in die Massageräume geführt. Ein Polizist und eine Frau warteten auf mich und fingen an, Fragen zu stellen.
»Wie heißen Sie? Wo sind Sie geboren? Wie sind Sie hierhergekommen? Haben Sie einen Ausweis oder eine Aufenthaltsgenehmigung?«
Ich sagte ihnen alles, was sie wissen wollten, gab diesmal meinen richtigen Namen an und erzählte auch von meiner Anwältin. Sie sagten nichts, als ich ging, aber allzu große Sorgenmachte ich mir nicht. Ich sagte mir immer wieder, dass ich ja eine Anwältin hätte und alles in Ordnung käme.
Dann ging die Polizei, und wir vergaßen das Ganze bald.
Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie die nächsten Tage verliefen. Heute steigt Kälte in mir hoch, wenn ich versuche, daran zu denken, aber bildlich vorstellen kann ich es mir kaum. Sicher weiß ich nur noch, dass ich mich verkaufte und genug verdiente, um mit der Rückzahlung meiner Schulden bei Tamara zu beginnen. Weder erinnere ich mich an die Freier, die ich hatte, noch an das, was ich tat oder wer sie waren, noch an ihren Geruch oder ihre Berührung. Ich war zu leer, zu betrunken und dachte nur noch an Sascha und Luda und daran, das Geld zusammenzubekommen, es nach Hause zu schicken und für die Sicherheit meiner Kinder zu sorgen. Pascha hatte ich schon verloren, sie wollte ich nicht auch noch verlieren. Tamara erzählte mir am Telefon, das Sascha und Luda ins Waisenhaus gebracht worden seien, aber in welches, das wusste keiner. Sie waren verschwunden.
Ständig dachte ich an sie, während ich mich bemühte zu vergessen, wo ich war. Es war die schlimmste Woche meines Lebens; dem Selbstmord war ich nie näher als in dieser Zeit. Es brachte mich fast um, in diese Welt zurückzugehen, und jeden Tag betete ich zu meinem Vater.
»Bitte hol mich zu dir, Papa«, bat ich ihn. »Lass mich bei dir sein.«
Die ganze Zeit dachte ich daran, mich zu verletzen – wenn ich in der Küche stand, hielt ich mir das Brotmesser ans Handgelenk und sah das graue Metall an der weißen Haut, oder wenn ich die Straße entlangging, starrte ich den Bus an und überlegte, ob ich mich vor ihn werfen sollte. Aber ich hatte zu große Angst, deshalb tat ich nichts, und das verstörte michnur noch mehr. Ich war so schwach, dass ich nicht einmal das schaffte.
In der Sauna ging es ruhig zu, weil alle vom Besuch der Polizei gehört hatten, und immer wieder betete ich zu Gott, er möge mir Freier schicken. Ich wollte bloß das Geld zusammenbekommen, und ich war so wütend auf ihn. Ich wusste, es war falsch, was ich tat, aber konnte er mir nicht einfach nur helfen? Außerdem weinte ich stundenlang, und dann nahm Lara mich in die Arme.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte sie dann immer zu mir. »Du musst einfach nur hart arbeiten, und dann hast du das Geld bald zusammen.«
Ich wusste ja, dass sie recht hatte, aber ich fühlte mich wieder so schmutzig. Ich musste ein schrecklicher Mensch sein, dass man mich so hart bestrafte – und es war so schwach und so dumm von mir gewesen, wieder in diese Sauna zurückzugehen. Ich durfte auch nicht zulassen, dass ich an Murat dachte. Ich wusste, er verstand mich nicht, und irgendwie ärgerte es mich auch, dass er mir nicht geholfen hatte.
Er ist eben ein Mann, sagte ich mir immer wieder, doch tief im Herzen war ich traurig und fühlte mich sehr allein.
Eine Weile hatte ich wirklich geglaubt, dass ich mit Murat die Vergangenheit endlich hinter mir lassen könnte, dass er der strahlende Held war, der mich retten würde. Jetzt wusste ich, dass es nie so kommen würde.
Nur ein einziges Mal rief ich ihn an, als ich betrunken war.
»Wieso rufst du mich an?«, fragte er. »Ich habe zu tun.«
»Ich wollte nur deine Stimme hören.«
»Ich kann jetzt nicht reden. Ich rufe dich später zurück.«
Aber das tat er nicht.Sechs Tage nach ihrem ersten Besuch kamen die Polizisten wieder, diesmal nur zwei in Uniform. Zu mir und zwei Thaimädchen sagten sie, wir müssten mitkommen.
Ich war überrascht, fühlte mich aber zu benommen, um Angst zu haben. Inzwischen war es mir fast egal, was mit mir passierte. Wenn ich die Kinder verloren hatte, dann spielte es keine Rolle, ob ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbrachte.
Man führte uns zu einer
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