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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Autoren: Richard P. Feynman
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saßen in einer Reihe, und das andere Team saß in einer anderen Reihe. Die Lehrerin, die den Wettkampf leitete, nahm einen Umschlag heraus, und auf dem Umschlag steht: »Fünfundvierzig Sekunden«. Sie öffnet den Umschlag, schreibt die Aufgabe an die Tafel und sagt: »Los!« - also hat man in Wirklichkeit mehr als fünfundvierzig Sekunden Zeit, denn während sie schreibt, kann man überlegen. Das Spiel ging so: Man hat ein Stück Papier, und darauf kann man alles schreiben, was man will. Das einzige, was zählte, war die Antwort. Wenn die Antwort »sechs Bücher« lautete, mußte man eine »6« hinschreiben und einen großen Kreis darum machen. Wenn das, was in dem Kreis stand, richtig war, harte man gewonnen; wenn nicht, hatte man verloren.
    Eines war sicher: Es war praktisch unmöglich, das Problem in irgendeiner herkömmlichen, direkten Weise zu lösen, zum Beispiel indem man hinschreibt, »A ist die Anzahl der roten Bücher, B ist die Anzahl der blauen Bücher«, ächz, ächz, ächz, bis am Ende »sechs Bücher« herauskommt. Dazu hätte man fünfzig Sekunden gebraucht, denn die Leute, die die Zeiten für diese Aufgaben festlegten, hatten sie alle ein bißchen kurz angesetzt. Also mußte man überlegen: »Kann man die Lösung irgendwie sehen? « Manchmal konnte man die Lösung blitzartig sehen, und manchmal mußte man einen anderen Weg erfinden und dann die Algebra-Aufgabe so schnell wie möglich erledigen. Es war eine wunderbare Übung, und ich wurde immer besser und war schließlich der Anführer des Teams. Auf diese Weise lernte ich, Algebra-Aufgaben sehr rasch zu lösen, und das kam mir auf dem College zugute. Wenn wir ein Problem in Differential- oder Integralrechnung hatten, sah ich sehr rasch, wie es ging, und löste dann die Algebra-Aufgabe - und zwar schnell.
    Was ich noch auf der High School tat, war: Probleme und Theoreme erfinden. Das heißt, wenn ich überhaupt etwas Mathematisches machte, dann fand ich irgendein praktisches Beispiel, für das man es gebrauchen konnte. Ich erfand eine Reihe von Aufgaben mit rechtwinkligen Dreiecken. Aber statt die Länge von zwei der Seiten anzugeben, um die dritte zu finden, gab ich die Differenz der zwei Seiten an. Ein typisches Beispiel war: Von der Spitze einer Fahnenstange hängt ein Seil herunter. Wenn man das Seil gerade nach unten zieht, ist es drei Fuß länger als die Stange, und wenn man es straff von der Stange wegzieht, berührt es fünf Fuß von deren Basis entfernt den Boden. Wie hoch ist die Fahnenstange?
    Ich entwickelte einige Gleichungen, um Probleme wie dieses zu lösen, und das hatte zur Folge, daß mir ein Zusammenhang auffiel - vielleicht war es sin 2 + cos 2 = l -, der mich an die Trigonometrie erinnerte. Nun, ein paar Jahre früher, vielleicht als ich elf oder zwölf war, hatte ich ein Buch über Trigonometrie gelesen, das ich in der Bibliothek ausgeliehen hatte, aber das Buch war inzwischen längst vergessen. Ich erinnerte mich nur daran, daß Trigonometrie irgend etwas mit Beziehungen zwischen Sinussen und Kosinussen zu tun hatte. Also fing ich an, diese ganzen Beziehungen auszuarbeiten, indem ich Dreiecke zeichnete, und für jede Beziehung führte ich selbst den Beweis. Ich berechnete auch den Sinus, Kosinus und Tangens jedes Winkels, dessen Gradzahl ein Vielfaches von Fünf bildet, wobei ich vom Sinus eines Winkels von fünf Grad ausging, indem ich addierte und Formeln für halbe Winkel benutzte, die ich ausgearbeitet hatte.
    Ein paar Jahre später, als wir die Trigonometrie in der Schule durchnahmen, hatte ich immer noch meine Notizen und sah, daß sich meine Herleitungen oft von denen im Lehrbuch unterschieden. Manchmal, wenn ich keinen einfachen Weg sah, machte ich einen Riesenumweg, bis ich es herausbekam. Ein anderes Mal war meine Methode äußerst geschickt - die Standard-Herleitung im Lehrbuch war viel komplizierter! Manchmal also steckte ich die in die Tasche, und manchmal war's auch umgekehrt.
    Als ich mich mit der Trigonometrie beschäftigte, gefielen mir die Symbole nicht, die normalerweise für Sinus, Kosinus, Tangens und so weiter verwendet werden. Für mich sah »sin f« wie s mal i mal n mal f aus! Deshalb erfand ich ein anderes Symbol, so ähnlich wie ein Quadratwurzel-Zeichen, nämlich ein Sigma, das einen langen Arm ausstreckt, und darunter schrieb ich das f. Für den Tangens war es ein Tau, bei dem der obere Strich verlängert war, und für den Kosinus machte ich eine Art Gamma, aber es sah ein bißchen so aus wie das
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