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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Autoren: Richard P. Feynman
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testete man ihn mit dem Voltmeter und schaute, ob Spannung durchkam. Die Geräte waren einfach, die Schaltkreise unkompliziert. Die Gitterspannung betrug immer anderthalb oder zwei Volt, und die Spannung an den Anoden hundert oder zweihundert Volt Gleichstrom. Deshalb war es für mich nicht schwer, ein Radio auf diese Weise zu reparieren: ich verstand, was innen vor sich ging, ich stellte fest, daß irgend etwas nicht richtig arbeitete und behob den Schaden.
    Manchmal dauerte das ziemlich lange. Ich erinnere mich, daß ich einmal einen ganzen Nachmittag brauchte, um einen durchgebrannten Kondensator zu finden, der schwer zu entdecken war. In diesem Fall handelte es sich zufällig um eine Bekannte meiner Mutter, deshalb hatte ich Zeit - es stand niemand hinter mir und fragte: »Was treibst du da?« Statt dessen fragte man: »Möchtest du ein Glas Milch oder ein Stück Kuchen?« Schließlich brachte ich es in Ordnung, denn ich hatte - und habe immer noch - Ausdauer. Wenn ich mich erstmal auf ein Rätsel einlasse, komme ich nicht mehr davon los. Wenn die Bekannte meiner Mutter gesagt hätte: »Mach dir nichts draus, das ist zuviel Arbeit für dich«, wäre ich in die Luft gegangen, denn wenn ich schon einmal so weit gegangen bin, will ich das verdammte Ding auch in den Griff kriegen. Ich kann einfach nicht davon lassen, nachdem ich so viel darüber herausgefunden habe. Ich muß weitermachen, um letzten Endes doch herauszukriegen, was eigentlich damit los ist.
    Das ist ein Rätsel-Trieb. Das erklärt, warum ich Maya-Hieroglyphen entziffern möchte, warum ich versuche, Safes zu öffnen. Ich erinnere mich, daß es mir auf der High School oft passierte, daß in der ersten Stunde ein Typ mit einem geometrischen Rätsel oder mit irgendeiner Aufgabe in höherer Mathematik, die in seiner Klasse gestellt worden war, zu mir kam. Ich hörte nicht auf, bis ich die verdammte Sache rausgekriegt hatte - dazu brauchte ich eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten. Aber im Laufe des Tages kamen dann andere mit dem gleichen Problem, und für die löste ich das dann blitzschnell. Bei dem einen brauchte ich also zwanzig Minuten, aber die fünf anderen hielten mich für ein Supergenie.
    Auf diese Weise bekam ich einen phantastischen Ruf. Während der High-School-Zeit muß ich es mit jedem der Menschheit bekannten Rätsel zu tun bekommen haben. Jede verflixte, verrückte Knobelei, die man sich hatte einfallen lassen, kannte ich. Als ich dann ans MIT kam, gab es einmal einen Tanzabend, und einer der älteren Studenten hatte seine Freundin bei sich, die eine Menge Rätsel kannte, und er erzählte ihr, daß ich ziemlich gut im Rätsellösen sei.
    Im Laufe des Abends kam sie deshalb zu mir herüber und sagte: »Du sollst ja schwer was los haben, dann zeig mal, was du kannst: >Ein Mann soll acht Klafter Holz schlagen .. .<«
    Und ich sagte: »Er fängt damit an, daß er jeden zweiten in drei Teile zerhackt«, denn das Rätsel kannte ich schon.
    Darauf ging sie weg und kam mit einem neuen zurück, und ich kannte auch das wieder.
    Das ging eine ganze Weile so, und schließlich, als der Tanzabend fast zu Ende war, kam sie mit einem Gesichtsausdruck herüber, als würde sie mich diesmal sicher hereinlegen und sagte: »Eine Mutter reist mit ihrer Tochter nach Europa ...«
    »Die Tochter hatte die Beulenpest.«
    Sie brach fast zusammen! Das waren kaum genug Anhaltspunkte, um die Antwort zu finden: Es war eine lange Geschichte, wie eine Mutter mit ihrer Tochter in ein Hotel geht und beide getrennte Zimmer nehmen, und am nächsten Tag geht die Mutter in das Zimmer der Tochter, und es ist niemand da, oder jemand anders ist da, und sie fragt: »Wo ist meine Tochter?«, und der Hotelbesitzer sagt: »Was für eine Tochter?«, und im Gästebuch steht nur der Name der Mutter und so weiter und so weiter, und es ist ein großes Geheimnis um das, was passiert ist. Die Antwort ist, daß die Tochter die Beulenpest hatte, und das Hotel, das nicht zumachen will, läßt die Tochter verschwinden, säubert das Zimmer und beseitigt alle Hinweise, daß sie da war. Es war eine lange Geschichte, aber ich kannte sie, und als das Mädchen anfing mit: »Eine Mutter reist mit ihrer Tochter nach Europa«, fiel mir ein Rätsel ein, das so begann, also habe ich blind drauflosgeraten und traf das Richtige.
    Auf der High School hatten wir das sogenannte Algebra-Team, dem gehörten fünf Jungen an, und wir fuhren zusammen zu anderen Schulen, um dort an Wettbewerben teilzunehmen. Wir
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