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Sie bauten eine Kathedrale

Sie bauten eine Kathedrale

Titel: Sie bauten eine Kathedrale
Autoren: David Macaulay
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schon in
jedem Winter zuvor, die vom Maurer bereits zusammengefügten Steinmetzarbeiten
mit Stroh und Mist zugedeckt, damit der Frost nicht den Mörtel aufsprengen
konnte, noch ehe er vollständig getrocknet war. Die meisten Maurer gingen den
Winter über nach Hause, da Frost und Kälte ihre Arbeit unmöglich machten.
Andere Arbeiten hingegen gingen weiter. Den fertiggestellten Chorwänden entlang
wurden provisorische Werkstätten für die Steinmetzen eingerichtet, die nicht
länger im Freien arbeiten konnten. In den Werkstätten schnitten sie Maßwerk und
behauten Steine, meißelten Kapitelle und Skulpturen und bereiteten so vieles
für die im Frühling zurückkehrenden Maurer vor.

     
    Die Chorwand gliederte sich in drei
Geschosse, zuunterst die achtzig Fuß hohe Pfeilerarkade, darüber das zwanzig
Fuß hohe Triforium, eine Arkadenreihe mit einem schmalen Laufgang davor, und
als oberstes der Lichtgaden, dessen Fenster in einer Höhe von sechzig Fuß bis
unter das Dach reichten.
    Die Wände in Chor und Umgang waren
zwischen 1270 und 1275 vollendet, und die Arbeit am Dach begann.

    Das Dach wurde aus einer Reihe
dreiseitiger Rahmen oder Träger zusammengefügt. Zuerst setzten die Zimmerleute
jeden einzelnen Träger am Boden zusammen. Durch Zapfen wurden die Hölzer
miteinander verbunden, das heißt, es wurden Zapflöcher geschnitten, in die
hinein die Zungen oder Zapfen anderer Stücke paßten. Nachdem man den Träger
probeweise zusammengesetzt hatte, zerlegte man ihn wieder in seine Bestandteile
und hievte Stück um Stück zum höchsten Punkt der Wand hinauf. Dort wurde er
erneut zusammengefügt und der ganze Rahmen dann mit eichenen Zapfen ineinander
verkeilt. Bei der Konstruktion des Daches verwendeten die Zimmerleute keine
Nägel.
    Die ersten Balken zog man über
Flaschenzüge, die am Gerüst festgemacht waren, in die Höhe.

     

    Sobald die Balken oben waren, wurde
eine Winde an ihnen befestigt, um das übrige Bauholz hochzuziehen und die
Rahmen aufzurichten. Unten auf der Erde wurden inzwischen von den Dachdeckern
Bleiplatten gegossen, die Gebälk und Gewölbe vor schlechtem Wetter schützen
sollten. Auch Abflußrohre und Dachrinnen stellte man im Gußverfahren her.
Steinmetzen und Bildhauer meißelten steinerne Rinnen und Wasserabläufe für die
Strebepfeiler. Die Ausgußsteine waren figürlich als furchterregende Fabelwesen
gestaltet. Sie hießen Wasserspeier, da sie das gesammelte Regenwasser aus ihrem
Rachen in weitem Strahl zur Erde schickten.

    Die Wasserspeier waren über den
Strebepfeilern angebracht und bekamen ihren Zufluß durch einen offenen Kanal,
der über den Rücken der Strebebogen hinlief und in Verbindung stand mit den
Dachrinnen. Das Dachholz wurde zum Schutz gegen Fäulnis mit Pech bestrichen,
das man in großen Fässern in die Höhe zog. Erst ganz zuletzt wurden die
Bleiplatten an das Rahmenwerk genagelt und ihre Kanten hochgebogen, damit kein
Wasser eindringen konnte.

     
    Im Jahr 1280 war der Chor so weit
vollendet, daß mit der Einwölbung der Decke und mit dem Aushub für die
Fundamente der Vierung begonnen werden konnte. Wilhelm, mittlerweile zu betagt,
um noch weiter die Bauaufsicht zu führen, wurde durch den Baumeister Robert von
Cormont abgelöst.

    Bei der Konstruktion der Gewölbe wurden
zwei Vorrichtungen zum Hinaufziehen der Steine benutzt: die Winde und das große
Rad. Die Winde, mit der man bereits alles Holz für das Gebälk hochgezogen
hatte, diente jetzt auch als Aufzug, um das große Rad in die Höhe zu holen.
Dieses Rad war von solchem Umfang, daß ein oder zwei Männer darin aufrecht
stehen und durch stetes Treten das Rad bewegen konnten, wodurch das daran
befestigte Seil aufgespult wurde. Dieses Hilfsmittel ermöglichte das Hochziehen
schwerster Lasten.

     
    Die Konstruktion des Deckengewölbes
erforderte ein Holzgerüst, das, hundertdreißig Fuß über dem Erdboden, die
beiden Chorwände verband. Hier oben, auf den Plattformen, wurden nun hölzerne
Lehrgerüste konstruiert, ähnlich denen, die man beim Bau der Strebebogen
verwendet hatte. Sie stützten von unten die steinernen Rippen, die erst trugen,
wenn der Mörtel trocken war. Die lastende Gewölbeschale der Decke ruhte dann
auf den Rippen. Die Gewölbe wurden Joch um Joch gebaut, wobei das Gewölbefeld
zwischen vier Pfeilern jeweils ein Joch bildete.

     
    Während Lehrgerüste für die
Gewölberippen konstruiert wurden, starb der Bischof von Chutreaux. Die Arbeit
ruhte sieben Tage. Am vierzehnten September
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