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Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien
Autoren: Klaus Weitzer
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Rückenschmerzen, die aktuell im Zusammenhang mit »extremen beruflichen Belastungen« unerträglich waren. Nach zwei ausführlichen manuellen kommunikativen Behandlungen an zwei Tagen fühlte er sich »entspannt und beweglich«, seinem Rücken ging es deutlich besser. So fuhr er nach Hause. Am Telefon berichtete er mir, dass einen Tag nach der Behandlung sein Ohrgeräusch über Nacht verschwunden war und dies immer noch so sei, er dafür aber jetzt besonders starke Kopfschmerzen habe. Die kenne er zwar seit Jahren im Zusammenhang mit Stress, aber er halte sie problemlos mit einem »leichten Medikament unter Kontrolle«. Nur heute käme er nicht gegen sie an. Der Rücken sei okay, er habe nur »furchtbaren Muskelkater« im ganzen Körper, so als hätte er intensiv Sport getrieben, was nicht der Fall war.
    Nach solch einer Reaktion ist ein Patient natürlich erst einmal verunsichert. Deshalb ist es wichtig, sich genügend Zeit
für eine Erklärung zu nehmen, damit er aus Angst und Enttäuschung den Prozess nicht abbricht (was durchaus immer wieder geschieht). Diesem Mann erklärte ich, dass sich sein Organismus durch unsere Behandlung mit seiner Spannung auseinandersetze, sie zwar ein wenig harmonisieren konnte und so das Ohrgeräusch erst einmal überflüssig geworden war. Dafür aber wurde zunächst der Kopfschmerz stärker, denn er ist sozusagen das »ältere Problem«, beruht jedoch auf derselben Spannung. All dies war ein Hinweis darauf, dass durch das Schmerzmittel zwar der Kopfschmerz »betäubt«, das Spannungsverhalten dahinter jedoch dadurch nicht beseitigt, sondern sogar noch verstärkt wurde. Ich erläuterte außerdem, dass er sich dadurch innerhalb der Teufelsspirale weiterbewegt und einen neuen »Trampelpfad« angelegt hatte, der nun als Ohrgeräusch in Erscheinung trat. Ähnliches gelte für seinen Rückenschmerz: Sein Spannungsverhalten zeige sich hier nach der Behandlung als »Muskelkater«. Ich versicherte ihm, dass derartig heftige Reaktionen in der Regel vorübergehend seien und ihre Intensität auch abnimmt, wenn das System mehr und mehr ins Gleichgewicht findet.
    Der Mann wurde neugierig auf den Prozess und verabredete sich erneut mit mir. An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig es ist, den Patienten zu motivieren, sich trotz Schwierigkeiten weiterhin mit der Lösung seines Schmerzproblems zu beschäftigen.
Was bringt kommunikative Schmerztherapie?
    Nach dieser Beschreibung des Therapieverlaufs fragen Sie sich vielleicht, was nun eigentlich der Vorteil einer kommunikativen Schmerztherapie ist. Man weiß nicht, wie lange sie dauert, wie sie verläuft, und noch dazu besteht die Gefahr, mit stärkeren und anderen Schmerzen und Problemen konfrontiert zu werden, die man endlich froh war, los zu sein. Doch ist man sie
wirklich los? Speziell frühere Schmerzen melden sich meist immer wieder mal, wenn vielleicht auch in einem geringeren Ausmaß. So erging es auch Herrn M. mit seinen Rückenschmerzen. Zwar hatten sie sich nach Operation und Reha deutlich gebessert, doch waren sie nie ganz weg, tauchten zwischendurch sogar recht heftig wieder auf.
    In den Therapiegeschichten habe ich Ihnen beispielhaft von verschiedenen Reaktionen und Veränderungen der Menschen erzählt, mit denen ich therapeutisch arbeite. Aus ihnen geht hervor, dass ein Patient bzw. sein Organismus im Verlauf dieser Therapie zunehmend lernt, sich für Wege im Spannungsgleichgewicht zu entscheiden. Er erlebt zwar vor allem zu Beginn heftige Reaktionen - sie gehen aber immer schneller vorüber und bringen insgesamt eine Besserung mit sich. Auch wenn der schon oft zitierte »Trampelpfad« bleibt (siehe S. 33 f.) und es immer wieder Situationen geben wird, in denen der Patient hineingerät und Schmerzen hat, so erhält er doch zunehmend Kontrolle darüber. Er findet immer mehr Möglichkeiten, sie selbstständig zu lindern oder zu lösen, auch ohne Medikamente oder mechanische Hilfen von außen. Sie werden als nicht mehr so »schlimm« erlebt.
    Das bedeutet: Ein Mensch wird sensibler für sich und seine Spannung, er entwickelt ein »Gefühl« für die Art, wie er seinen Körper gebraucht. Er kann zunehmend zwischen mehreren Wegen und Verhaltensalternativen wählen und sich auch unbewusst im Gleichgewicht verhalten. Natürlich wird er immer wieder Schmerzen haben, je nach
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