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Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien
Autoren: Klaus Weitzer
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Lebensvorgängen, für den Augenblick objektiv von außen erfassen und als Abläufe in einer Maschine beschreiben. Dieses Wissen ist wichtig und hilfreich.
Berücksichtigt man jedoch die Arbeitsweise von Gehirn und Nervensystem, wie ich sie anhand der beiden Modelle charakterisiert habe, so bedeutet das, dass ihr Verhalten und damit das des lebenden Organismus prinzipiell nicht vorhergesagt werden kann! Wie die Abbildung auf Seite 29 zeigt, besteht ihre Aufgabe darin, fortwährend zwischen Körper und Umwelt zu »vermitteln« (wobei sie natürlich selbst auch zum Körper gehören). Dafür arbeiten alle »Teilgehirne« - von Zentren in der Großhirnrinde bis zu einzelnen Nervenzellen und Genen - aktiv zusammen. Systemtheoretisch gedacht heißt das: Jedes verarbeitet für ihn relevante Informationen aus der Umwelt und dem Organismus, steuert die Aspekte, für die er zuständig ist, und stimmt sie auf die Verhaltensaktivitäten aller anderen ab. Ein bestimmtes Zusammenspiel ergibt dann einen bestimmten körperlichen oder psychischen, bewussten oder aber auch unbewussten, subjektiven oder objektiven Vorgang, einen bestimmten »Weg durch den Schnee«.
    Doch nicht vergessen: Die Grundlage für willentliches Verhalten sind alle unbewussten Entscheidungen der entwicklungsgeschichtlich älteren Bereiche - sogar bis hin zu den Genen! Das Verhalten der untersten Ebenen, also auch der genetischen, kann durch die Wege verändert werden, die die oberen Zentren im Gehirn gehen. Die untersten Ebenen und sogar Gene erhalten also eine gewisse »Entscheidungsfreiheit«, das heißt die Möglichkeit, ihr Verhalten zu ändern.
    Sie werden nun verstehen können, warum ich so hartnäckig darauf beharre, dass Schmerztherapie auf eine andere Grundlage gestellt werden muss, damit sie erfolgreich sein kann. Es bedarf eines anderen Weltbildes in der Medizin, deren Wandel in der Praxis jedoch noch längst nicht vollzogen ist. Um ihn zu ermöglichen, werde ich im Folgenden aufzeigen, was die neu gewonnenen Erkenntnisse für das Verständnis von Krankheit und ihre Behandlung bedeuten und welche neuen schmerztherapeutischen Möglichkeiten sich daraus für Sie ergeben.

Krankheit ist ein aktives Verhalten
    Ein Dilemma in unserer Medizin besteht darin, dass durch die naturwissenschaftliche Perspektive Körper und Psyche voneinander getrennt und zu zwei eigenständigen Bereichen werden. Um diese immer besser verstehen und Ursachen für Krankheiten identifizieren zu können, untergliedert man sie in immer kleinere Teile, wodurch sie noch weiter voneinander getrennt werden. Irgendwann jedoch konnte durch diese zerlegende Wissenschaft gezeigt werden, dass eine Trennung gar nicht möglich ist, weil es den einen ohne den anderen gar nicht gibt und jede Veränderung einer Seite auch die andere verändert.
    Die Konsequenz: Man macht die Medizin wieder »ganzheitlich«, indem durch Eingriffe von außen neben körperlichen auch psychische Ursachen behandelt und ihre Zusammenhänge beachtet werden. Wenn man jedoch von einer Funktionsweise unseres Nervensystems ausgeht, wie ich sie bereits geschildert habe, wird deutlich, dass man auf diesem Weg den Kampf gegen Krankheiten und Schmerzen niemals gewinnen wird. Denn er trägt weder der Gleichzeitigkeit von Körper und Psyche noch der Individualität jedes Nervensystems Rechnung. Insbesondere wird die Tatsache, dass das Verhalten des Gehirns und Nervensystems des Menschen nicht vorhergesagt werden kann, die erfolgreiche Behandlung vieler Krankheiten verhindern. Doch wie kann das Dilemma überwunden werden?
    Dank moderner Forschung lassen sich zwar bio-elektrische Vorgänge im Organismus definieren. Diese jedoch sind dessen individuelle Entscheidungen. Das heißt, man weiß prinzipiell nicht, ob, wann und wie ein Organismus auf eine objektive Ursache reagiert, ob er krank wird oder nicht, wie dies genau aussieht und wie der Prozess verläuft. Das heißt auch: Krankheit ist eine Entscheidung des Organismus, ist sein Verhalten,
das er bzw. sein Gehirn aktiv produziert! Da der lebende Organismus letztendlich darauf ausgerichtet ist, das Überleben zu sichern, bedeutet das, dass Krankheit immer auch den Versuch beinhaltet, Lebensfunktionen zu erhalten. So gesehen hat eine Krankheit also nicht nur Ursachen, sondern immer auch einen Zweck. Dies unterscheidet den lebenden Organismus von jeder Maschine.
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