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Shogun

Shogun

Titel: Shogun
Autoren: James Clavell
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nach unten!«
    »Unten lauert der Tod«, brummelte Hendrik, schaute geradeaus und schweifte mit seinen Gedanken ab.
    Blackthorne rückte sich in seinem Seestuhl zurecht. Heute schmerzte sein Körper schlimmer als sonst. Du bist glücklicher dran als die meisten, dachte er. Glücklicher jedenfalls als Hendrik. Nein, nicht glücklicher. Nur vorsichtiger. Du hast dein Obst aufbewahrt, wohingegen die anderen das ihre bedenkenlos aufgegessen haben. Und zwar entgegen deinen ausdrücklichen Warnungen. Deshalb ist dein Skorbut noch verhältnismäßig leicht, wohingegen die anderen ständig unter Blutstürzen leiden, ihnen ihre Eingeweide davonlaufen, die Augen schwären und weh tun und die Zähne im Zahnfleisch wackeln. Wie kommt es nur, daß Menschen nie klug werden?
    Er wußte, daß sie alle Angst vor ihm hatten, sogar der Generalkapitän – und die meisten ihn haßten. Aber das war normal; denn auf See war der Pilot es, der das Kommando führte; er war es, der den Kurs bestimmte und das Schiff befehligte, der sie von Hafen zu Hafen brachte.
    Jede Fahrt war gefährlich heutzutage, denn die wenigen Seekarten, die es gab, waren so unzuverlässig, daß sie nahezu nutzlos waren. Überdies gab es absolut keine Möglichkeit, die geographische Länge zu bestimmen, auf der man sich befand.
    »Finde eine Möglichkeit, die Länge zu bestimmen, und du bist der reichste Mann auf der Welt«, hatte sein alter Lehrer, Alban Caradoc, zu ihm gesagt. »Die Königin, Gott beschütze sie: ›Ich gebe dir zehntausend Pfund für die Antwort auf das Rätsel, und ein Herzogtum obendrein.‹ Die mistfressenden Portugiesen werden dir noch mehr geben – eine goldene Galeone. Und die mutterlosen Spanier – zwanzig? Sobald kein Land mehr in Sicht ist, bist du immer verloren, mein Junge. Es sei denn …«
    »Es sei denn, man ist im Besitz eines roteiro !« hatte Blackthorne fröhlich ausgerufen, weil er wußte, daß er seine Lektion gelernt hatte. Dreizehn war er damals gewesen und seit einem Jahr Lehrjunge bei Alban Caradoc, Pilot und Schiffsbaumeister, der die Stelle seines Vaters für ihn übernommen hatte, den er verloren, und ihn nie geschlagen, sondern ihm wie den anderen Jungen die Kunst des Schiffsbaus beigebracht und ihn eingewiesen in die Geheimnisse der Seefahrt.
    Ein roteiro , das war ein kleines Buch mit den ins einzelne gehenden Eintragungen eines Piloten, der schon einmal dort gewesen war. Er enthielt Aufzeichnungen über die magnetischen Kompaßkurse zwischen den einzelnen Häfen und Kaps, Landzungen und Kanälen. Des weiteren die Ergebnisse der Lotmessungen, Wassertiefen und Farbe des Wassers und die Beschaffenheit des Meeresbodens. Es war daraus ersichtlich, wie wir hingekommen sind und wie wir wieder zurückkehrten; wie viele Tage man für einen bestimmten Schlag brauchte, wie der Wind gewesen war, wann und aus welcher Richtung er geweht, welche Strömungen man gewärtigen mußte, die Zeit der Stürme und die Zeit günstiger Winde; wo man ein Schiff kielholen und reinigen und wo man Wasser übernehmen konnte, wo es Freunde gab und wo Feinde; Sandbänke, Riffe, Tiden, Häfen; kurz, sofern es ein guter roteiro war, alles, was für eine sichere Reise notwendig war.
    Die Engländer, Holländer und Franzosen besaßen Kurskarten für ihre eigenen Gewässer, doch die Meere der übrigen Welt waren nur von Kapitänen aus Portugal und Spanien befahren worden, und diese beiden Länder betrachteten sämtliche roteiros als Staatsgeheimnis. Roteiros , die die Seewege zur Neuen Welt oder die Geheimnisse der Magellanstraße oder des Kaps der Guten Hoffnung enthielten – beides portugiesische Entdeckungen und folglich die Seewege nach Asien –, wurden von Portugiesen wie Spaniern eifersüchtig gehütet und von ihren holländischen und englischen Feinden mit gleichem Eifer gesucht. Allein, ein roteiro war nur so gut wie der Pilot, der ihn angelegt, der Schreiberling, der ihn mit der Hand kopiert, oder die äußerst seltenen Drucker, die sie gedruckt. Ein roteiro konnte daher Fehler enthalten – selbst solche, die absichtlich hineingebracht worden waren. Ganz sicher konnte ein Pilot immer erst dann sein, wenn er selbst dagewesen war. Zumindest einmal.
    Auf See war der Pilot der Führer, derjenige, dem das letzte Wort über Schiff und Mannschaft zustand. Er allein führte vom Achterdeck aus das Kommando. Solch ein Wein kann einem zu Kopf steigen, sagte Blackthorne sich. Und wenn man einmal an ihm genippt, konnte man ihn nie wieder
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