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Shogun

Shogun

Titel: Shogun
Autoren: James Clavell
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Stillen genannt.
    Der Hunger nagte an Blackthorne, und sein Mund und sein ganzer Körper schmerzten vom Skorbut. Er zwang seine Augen, den Kompaßstand zu registrieren, und seinen Verstand, die Position annähernd zu berechnen. Sobald er ihren Standort erst einmal in seine Kurskarte – seinen roteiro , wie die Portugiesen ihre geheimen Karten nannten – eingetragen hatte, war er sicher auf diesem Punkt des Ozeans. Und dann war auch sein Schiff sicher, und vielleicht gelang es ihnen gemeinsam, die japanischen Inseln zu entdecken oder gar das Gülden Reich des Priesters Johannes, von dem die Legende berichtete, daß es nördlich von Kathay gelegen sei – wo immer dieses Kathay auch liegen mochte.
    Und mit meinem Anteil an den Reichtümern werde ich dann wieder in See stechen und gen Westen segeln – nach Hause, der erste englische Pilot, der den Erdball umschifft; und dann werde ich die Heimat nie wieder verlassen. Niemals! Beim Haupt meines Sohnes!
    Der schneidende Wind setzte dem Schweifen seiner Gedanken ein Ende und hielt ihn wach. Jetzt zu schlafen wäre töricht. Aus diesem Schlaf würde ich nie wieder aufwachen, dachte er, reckte die Arme, um die verkrampften Rückenmuskeln zu entspannen, und zog seinen Rock fester um sich. Er sah, daß die Segel gebraßt und das Steuerrad sicher festgezurrt war. Der Ausguck auf dem Vordersteven war wach. Daher lehnte er sich geduldig zurück und betete um Land.
    »Geht nach unten, Pilot. Diese Wache übernehme ich, wenn Ihr einverstanden seid.« Der Dritte Steuermann, Hendrik Specz, schleppte sich den Niedergang herauf, das Gesicht grau vor Erschöpfung, die Augen eingesunken, die Haut fleckig und gelblich. Schwerfällig lehnte er sich gegen das Kompaßhaus, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Heiliger Herr Jesus, scheiß auf den Tag, an dem ich Holland verlassen.«
    »Wo ist der Erste Steuermann, Hendrik?«
    »In seiner Koje. Kann nicht rauskommen aus seiner Koje voll Schiet! Und wird's auch nie wieder tun – bis vorm Jüngsten Gericht!«
    »Und der Generalkapitän?«
    »Stöhnt nach Essen und Wasser.« Hendrik spuckte aus. »Ich hab' ihm gesagt, ich brat' ihm 'n Kapaun und servier' ihm den aufm silbernen Tablett, zusammen mit 'ner Flasche Brandy, ihn runterzuspülen. Schiet- huis ! Coot !«
    »Halt deine Zunge im Zaum!«
    »Mach ich ja, Pilot! Aber er ist ein madenzerfressener Narr – und seinetwegen werden wir alle ins Gras beißen!« Der junge Mann rülpste und würgte schillernden Schleim hervor. »Heiliger Herr Jesus, steh mir bei!«
    »Geh nach unten und komm gegen Morgengrauen wieder!«
    Unter Schmerzen ließ Hendrik sich auf einem Seestuhl nieder. »Unten riecht's nach Tod! Ich werde diese Wache übernehmen, wenn Ihr nichts dagegen habt. Welchen Kurs laufen wir?«
    »Wo immer der Wind uns hinträgt.«
    »Wo ist das Land, das Ihr uns versprochen habt? Wo sind sie denn jetzt – diese japanischen Inseln, frag' ich Euch?«
    »Voraus.«
    »Immer voraus! Gott im Himmel – Ihr hattet keine Orders, ins Unbekannte hinauszufahren. Wir sollten längst zurück sein, in Sicherheit, uns unsre Bäuche vollschlagen und nicht hinterm Sankt-Elms-Feuer herjagen.«
    »Geh unter Deck, und hüte deine Zunge!«
    Verbissen wandte Hendrik den Blick von dem großen bärtigen Mann. Wo sind wir jetzt? hätte er fragen wollen. Warum darf ich diesen roteiro , die geheime Kurskarte, nicht sehen? Aber er wußte, daß man einem Piloten derlei Fragen nicht stellt, insbesondere diesem nicht. Trotzdem, dachte er, wünschte ich, ich wäre hoch so kräftig und gesund, wie ich es war, als ich Holland verließ. Dann würde ich jetzt nicht warten, sondern dir deine graublauen Augen zerquetschen, dieses wahnsinnig machende überhebliche Lächeln aus deinem Gesicht vertreiben und dich zur Hölle schicken, wo du ja hingehörst. Dann wäre ich Hauptpilot, und wir hätten einen Niederländer, der dieses Schiff befehligt – und keinen Ausländer –, und die Geheimnisse wären uns sicher. Denn gewiß werden wir bald Krieg gegen euch Engländer führen. Es geht uns um dieselbe Sache: um die Beherrschung der Meere, darum, alle Handelswege zu kontrollieren, die Neue Welt zu beherrschen und Spanien die Luft abzudrücken.
    »Vielleicht gibt es diese japanischen Inseln gar nicht«, brummelte Hendrik plötzlich, »und das Ganze ist nichts weiter als ein gottbewondenes Märchen.«
    »Es gibt sie. Zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Grad nördlicher Breite. Und jetzt halt den Mund, oder geh
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