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Sharpes Flucht

Sharpes Flucht

Titel: Sharpes Flucht
Autoren: Bernard Cornwell
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Belohnung zu verdienen. Er war ein kleiner Mann mit geradem Rücken und eckigen Schultern, der vor Tatendurst schier barst. »Mister Iliffe und ich haben sie angetrieben.«
    Sharpe sagte nichts. Er kannte Cornelius Slingsby seit einer Woche, und in dieser Woche hatte er einen Hass auf den Mann entwickelt, der an Mordlust grenzte. Es gab keinen Grund für diesen Hass, es sei denn, man ließe Abneigung auf den ersten Blick als Grund gelten. Aber alles an Slingsby regte Sharpe auf, ob es sich um den Hinterkopf des Mannes handelte, der flach wie ein Schaufelblatt war, um seine hervorquellenden Augen, seinen schwarzen Schnurrbart, die geplatzten Äderchen auf seiner Nase, sein schnaufendes Lachen oder um seinen stolzierenden Gang. Bei seiner Rückkehr aus Lissabon hatte Sharpe feststellen müssen, dass sein Lieutenant, der verlässliche Robert Knowles, zum Adjutanten des Regiments ernannt und ersetzt worden war. »Cornelius ist so etwas Ähnliches wie ein Verwandter«, hatte der Lieutenant Colonel, der ehrenwerte William Lawford, Sharpe vage erklärt, »und Sie werden feststellen, dass er ein sehr angenehmer Mann ist.«
    »Werde ich das, Sir?«
    »Er ist erst spät der Armee beigetreten«, war Lawford fortgefahren, »deshalb ist er nicht mehr als Lieutenant. Gut, er wurde vorübergehend zum Captain ernannt, aber Lieutenant ist er immer noch.«
    »Ich bin der Armee früh beigetreten, Sir«, hatte Sharpe erwidert, »und ich bin nicht mehr als Lieutenant. Vorübergehend zum Captain ernannt, natürlich, aber immer noch Lieutenant.«
    »Ach, Sharpe.« Lawford schien leicht verzweifelt. »Niemand ist sich Ihrer Qualitäten mehr bewusst als ich. Wenn es einen freien Posten für einen Captain gäbe …« Er ließ diese Bemerkung in der Luft hängen, aber Sharpe kannte den Rest des Satzes zur Genüge. Er war zum Lieutenant befördert worden, und das kam bei einem Mann, der als des Lesens und Schreibens nicht mächtiger Private in die Armee eingetreten war, einem Wunder gleich. Man hatte ihn vorübergehend zum Captain ernannt, was bedeutete, dass er dementsprechend besoldet wurde, aber sein wahrer Rang blieb der eines Lieutenants. Die tatsächliche Beförderung konnte er nur erlangen, wenn er sich einen freien Posten als Captain kaufte oder – was weit weniger wahrscheinlich war – wenn Lawford ihn beförderte. »Ich schätze Sie, Sharpe«, war der Colonel fortgefahren. »Aber ich hege auch Hoffnungen für Cornelius. Er ist dreißig. Oder vielleicht einunddreißig. Alt für einen Lieutenant, doch er ist so spitz wie ein Wiesel, Sharpe, und er besitzt Erfahrung. Jede Menge Erfahrung.« Das war das Problem. Ehe er dem South Essex Regiment beitrat, war Slingsby im 55. gewesen, einem Regiment, das auf den Westindischen Inseln diente. Das Gelbfieber hatte die Reihen der Offiziere gelichtet, und so war Slingsby vorübergehend zum Captain aufgestiegen. Genauer gesagt hatte er als Captain die Leichte Kompanie des 55. Regiments befehligt, was ihn zu der Ansicht brachte, er verstünde vom Soldatenleben so viel wie Sharpe. Was womöglich stimmte, aber vom Kämpfen verstand er deutlich weniger. »Ich möchte, dass Sie ihn unter Ihre Fittiche nehmen«, hatte der Colonel seine Rede beendet. »Bringen Sie ihn weiter, Sharpe.«
    Ins frühe Grab kann ich ihn bringen, hatte Sharpe säuerlich gedacht, aber er musste seine Gedanken für sich behalten. Noch immer tat er sein Bestes, um seinen Hass nicht durchblitzen zu lassen, als Slingsby jetzt hinauf zur Telegrafenstation wies. »Mister Iliffe und ich haben dort oben Männer gesehen, Sharpe. Etwa ein Dutzend, denke ich. Und einer sah aus, als trüge er eine blaue Uniform. Da oben sollte jetzt eigentlich niemand sein, oder etwa doch?«
    Sharpe bezweifelte, dass Ensign Iliffe, ein Offizier, der gerade erst aus England herübergekommen war, irgendetwas gesehen hatte, wohingegen er selbst die Männer und ihre Pferde bereits fünfzehn Minuten zuvor entdeckt und sich seither gewundert hatte, was die Fremden dort oben auf dem Hügel zu suchen hatten. Offiziell galt die Telegrafenstation nämlich als verlassen. Für gewöhnlich war sie mit einer Hand voll Soldaten bemannt. Sie bewachten den Marine-Ensign, der die schwarzen Säcke bediente. Diese wurden an dem hohen Mast hinauf- und herabgezogen, um auf diese Weise Nachrichten von einem Ende Portugals zum anderen zu senden. Die Franzosen aber hatten die Kette bereits weiter im Norden durchtrennt, die Briten hatten sich von den Hügeln zurückgezogen, und
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