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Shannara II

Titel: Shannara II
Autoren: Terry Brooks
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mir!«
    Die Bilder flackerten schnell auf und verschwanden wieder. Zögernd winkte Lauren seinen Kameraden. Sie traten näher, und Fragen bildeten sich auf ihren Lippen, während sie mit leicht erhobenen Häuptern auf den silbern glänzenden Baum blickten. Zweige senkten sich hernieder um jeden von ihnen zu umschlingen, und die Stimme des Ellcrys flüsterte eindringlich.
    »Hört mich. Merkt euch, was ich euch sage. Laßt mich nicht im Stich!«
    Wie ein kalter Schauder rann es über sie. Die Gärten des Lebens lagen in tiefe, dumpfe Stille eingehüllt, so als wären sie, die Erwählten, auf der ganzen Welt die einzigen Lebewesen. Bilder, die einander in schneller Folge ablösten, erfüllten ihren Geist. Grauen und Entsetzen brachten diese Bilder. Wären die Erwählten dazu in der Lage gewesen, so hätten sie sich eilends abgewendet, um zu fliehen und sich zu verbergen, bis sich der Alptraum, der von ihnen Besitz ergriffen hatte, aufgelöst hätte und ins Nichts versunken wäre. Doch der Baum hielt sie in seinem Bann, und die Bilder ergossen sich weiter über sie, und das Grauen wuchs, bis sie wähnten, es nicht länger ertragen zu können.
    Dann endlich war es vorüber. Der Ellcrys schwieg, seine Zweige hoben sich von ihren Schultern und spannten sich weit aus, um die Wärme der Morgensonne aufzufangen.
    Lauren stand wie erstarrt, während Tränen seine Wangen hinunterrannen. Fassungslos blickten die sechs Erwählten einander an, während in ihren Gemütern das lautlose Flüstern der Wahrheit widerhallte.
    Die Legende war keine Legende. Die Legende war Wirklichkeit. Jenseits eines Bannes der Verfemung, den der Ellcrys aufrechterhalten hatte, lauerte in der Tat die Macht des Bösen. Nur der Ellcrys hatte das Elfenvolk vor Unheil und Gefahr bewahrt.
    Und jetzt starb er.

Kapitel 2
    Weit im Westen von Arborlon, jenseits des Grimmzacken-Gebirges, regte sich etwas in der Luft. Etwas, das schwärzer war als die Dunkelheit des frühen Tages, tauchte auf, zuckte und zitterte unter der Gewalt von Schlägen, die es zu treffen schienen. Einen Augenblick hielt der schwarze Schleier noch. Dann riß er auf, zerfetzt von der Gewalt, die er umhüllt hatte. Gellendes Kreischen und Heulen des Triumphs drangen aus der undurchdringlichen Schwärze, während Dutzende von klauenbewehrten Gliedmaßen, nach dem Licht drängend, den Riß zu vergrößern suchten. Plötzlich barst die Schwärze in einer gewaltigen Fontäne roten Feuers, und die klauenbewehrten Hände zuckten verbrannt und rußgeschwärzt zurück.
    Schnaubend vor Wut tauchte der Dagda Mor aus der Finsternis auf. Sein Stab der Macht spie heiße Flammen, als er die Ungeduldigen zur Seite stieß und kühn durch die Öffnung trat. Einen Augenblick später folgten ihm die dunklen Gestalten des Raffers und des Wandlers. Andere Leiber drängten verzweifelt vorwärts, doch die Ränder des Risses schlossen sich schnell, sperrten die Finsternis hinaus und die Wesen, die in ihr lebten. Nur Augenblicke dauerte es, dann war die Öffnung völlig verschwunden, und die drei ungewöhnlichen Gestalten standen allein.
    Argwöhnisch blickte der Dagda Mor um sich. Sie standen im Schatten des Grimmzacken-Gebirges. Das Morgenlicht, das schon den Frieden der Erwählten zerstört hatte, war kaum mehr als ein schwacher Glanz am östlichen Himmel jenseits der mächtigen Bergkette. Wie gewaltige, spitze Zähne schlugen die grimmigen Gipfel in den Himmel hinein und spieen bedrohliche Schatten über die Trostlosigkeit der Rauhen Platte, die sich vom Fuß der Berge in westlicher Richtung ins Leere dehnte - eine nackte, unfruchtbare Wüstenei, in der Lebensspannen in Minuten und Stunden gemessen wurden. Nichts regte sich auf ihr. Kein Laut durchbrach die Stille des frühen Morgens.
    Der Dagda Mor lächelte, und seine Hakenzähne blitzten. Niemand hatte sein Kommen bemerkt. Nach all den Jahren war er endlich frei, wieder frei unter denen, die ihn einstmals eingekerkert hatten.
    Aus der Ferne hätte man ihn vielleicht für einen der ihren halten können. Seine Erscheinung glich der eines Menschen. Er ging aufrecht auf zwei Beinen, und seine Arme waren nur um ein geringes länger als jene der Menschen. Er hielt sich nicht gerade, sondern ging vornübergebeugt und war in seinen Bewegungen durch eine merkwürdige Krümmung seiner Schulter gehemmt, doch die dunklen Gewänder, die ihn einhüllten, ließen nur schwer erkennen, was die Ursache war. Erst wenn man ihm ganz nahe war, konnte man deutlich den massigen
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