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Shannara I

Titel: Shannara I
Autoren: Terry Brooks
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zu der drohenden Gestalt geworden, als die ihn Shea beim Eintreten empfunden hatte. Nach der Mahlzeit hatte er gebeten, zu seinem Zimmer gebracht zu werden, damit er schlafen könne. Weder Shea noch Flick hatten ihn dazu bringen können, ein weiteres Wort über seine Reise nach Shady Vale und über sein Interesse an Shea fallen zu lassen. Die beiden Brüder hatten sich danach noch allein unterhalten, und Flick hatte die Geschichte seiner Begegnung mit Allanon und den Vorfall mit dem angsterregenden Schatten erzählt.
    Shea fragte sich wiederum, woher Allanon ihn kennen konnte. Er ging sein Leben durch. Die frühen Jahre waren nur eine verschwommene Erinnerung. Er wußte nicht, wo er geboren worden war, wenngleich er einige Zeit, nachdem die Ohmsfords ihn adoptiert hatten, gehört hatte, sein Geburtsort sei eine kleine Gemeinde im Westland. Sein Vater war gestorben, bevor er, Shea, alt genug gewesen war, einen bleibenden Eindruck von ihm zu gewinnen. Seine Mutter hatte ihn einige Zeit aufgezogen, und er konnte sich an einzelne Bruchstücke seines Lebens mit ihr erinnern, an das Spiel mit Elfen-Kindern, umgeben von riesigen Bäumen und tief grüner Einsamkeit. Er war fünf Jahre alt gewesen, als sie plötzlich krank geworden war und beschlossen hatte, zu ihren eigenen Leuten ins Dorf Shady Vale zurückzukehren. Sie mußte damals schon gewußt haben, daß sie sterben würde, aber ihre erste Sorge galt ihrem Sohn. Die Reise nach Süden gab ihr den Rest, und sie starb in der Tat kurze Zeit, nachdem sie beide das Tal erreicht hatten.
    Die Verwandten seiner Mutter waren alle tot, bis auf die Ohmsfords, die nicht mehr als entfernte Onkeln und Vettern waren. Curzad Ohmsford hatte seine Frau kaum ein Jahr früher verloren. Shea wurde von ihm aufgenommen, und die beiden Jungen waren als Brüder aufgewachsen, beide mit dem Namen Ohmsford. Shea hatte seinen wahren Namen nie erfahren und fragte auch nicht danach. Die Ohmsfords waren die einzige Familie, die ihm etwas bedeutete. Manchmal störte es ihn, daß er ein Halbblut war, aber Flick hatte tapfer erklärt, das sei ein ausgesprochener Vorteil, weil ihm das die Instinkte und den Charakter von zwei Rassen verleihe.
    Doch nirgends konnte sich Shea an eine Begegnung mit Allanon erinnern. Es war, als habe nie eine solche stattgefunden. Vielleicht war es wirklich so. Er drehte sich auf dem Stuhl herum und starrte zerstreut ins Feuer. Der düstere Wanderer hatte etwas an sich, das ihn erschreckte. Vielleicht war es Einbildung, aber Shea wurde das Gefühl nicht los, daß der Mann auf irgendeine Weise seine Gedanken lesen, ihn gänzlich durchschauen konnte, wenn es ihm beliebte. Es schien lächerlich zu sein, aber dieses Gefühl wollte sich nicht unterdrücken lassen, seitdem er dem Mann begegnet war. Auch Flick hatte davon gesprochen. Er war sogar noch weitergegangen und hatte seinem Bruder in der Dunkelheit ihres Zimmers zugeflüstert, er betrachte Allanon als gefährlich.
    Shea reckte sich und seufzte tief. Draußen begann es hell zu werden. Er stand auf, um mehr Holz auf das Feuer zu legen, und hörte die Stimme seines Vaters im Flur, die sich laut knurrend über die Zustände im allgemeinen beklagte. Shea seufzte resigniert, schob seine Gedanken beiseite und hastete in die Küche, um bei den morgendlichen Vorbereitungen zu helfen.
    Es wurde fast Mittag, bis Shea von Allanon wieder etwas zu sehen bekam, der offenbar den ganzen Vormittag in seinem Zimmer geblieben war. Er tauchte ganz plötzlich hinter dem Haus auf, als Shea sich unter seinem großen Schattenbaum ausruhte und einen kleinen Imbiß zu sich nahm. Sein Vater war im Haus beschäftigt, Flick irgendwo unterwegs. Der dunkle Fremde vom vergangenen Abend wirkte in der Mittagssonne nicht weniger unheimlich; er war noch immer eine schattenhafte Gestalt von unglaublicher Größe, auch wenn er nun statt des schwarzen einen grauen Mantel zu tragen schien. Er ging auf Shea zu, setzte sich ins Gras und blickte geistesabwesend auf die Berge im Osten, die über den Bäumen aufragten. Die beiden Männer schwiegen lange Minuten, bis Shea es schließlich nicht mehr aushielt und sagte:
    »Weshalb seid Ihr ins Tal gekommen, Allanon? Weshalb habt Ihr mich gesucht?«
    Das düstere Gesicht wandte sich ihm zu, und ein schwaches Lächeln kräuselte die Lippen.
    »Eine Frage, junger Freund, die nicht so leicht zu beantworten ist, wie du das möchtest. Die beste Art, dir zu erwidern, ist vielleicht die, dich zuerst zu befragen. Hast du von der
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