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Shakran

Shakran

Titel: Shakran
Autoren: David Winter
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Stil, die Einrichtung bestand aus Einzelstücken, an denen sie Gefallen gefunden hatte. In den vergangenen acht Jahren war ihre Wohnung ein Zufluchtsort für sie gewesen, ein gemütliches Nest, in dem sie sich entspannen konnte. Jetzt passte das alles irgendwie nicht mehr. Als wäre die Wohnung irgendwie geschrumpft ... oder als wäre sie selbst gewachsen.
    Ann schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf. Sie war zwei Wochen lang in Rom gewesen, eine Kollegin hatte sich um die Pflanzen gekümmert, aber es roch muffig. Sie riss alle Fenster auf, auch die im Schlafzimmer, und ging auf die Veranda hinaus. Sie sah die Allee entlang und holte tief Luft.
    Sie kam nicht oft nach Washington, auch wenn es nicht einmal achtzig Meilen entfernt lag. Dennoch, wenn sie durch die Hauptstadt fuhr, ertappte sie sich dabei, wie sie in Gedanken aufzählte, welche Regierungsstellen sich hinter welchen mehr oder weniger unauffälligen Fassaden verborgen hielten.
    Dann war da diese andere Erinnerung. Es war wie eine Szene aus einem Traum oder aus einem Film, nur dass sie wusste, dass es wahr war, dass sie es selbst erlebt hatte. Sie sah sich, bekleidet mit schwarzer Hose und Jacke, mit einem Ausweis auf der linken Brust, wie sie mit zwei Kollegen, beide dunkel gekleidet, einen langen Gang entlangging. Es war der Verbindungsgang zum Weißen Haus. Sie war bewaffnet. Routine ...
    Ein anderer Erinnerungsfetzen. Nur kurze Zeit später. Das Oval Office, Sitz der mächtigsten Person der Welt. Niemand war da, niemand störte sie, als sie eine kleine Sprengladung unter dem Schreibtisch anbrachte. Sie wusste, dass die Kameras dies nicht zeigten, auf den Monitoren war nur zu sehen, wie sie sorgfältig nach Wanzen suchte.
    Sie hatte im Internet nachgesehen, aber da gab es nichts, keinen Bericht über einen Bombenanschlag im Weißen Haus.
    Vielleicht war es ja doch nur Einbildung.
    Nein.
    Dann sag mir, was ich da gemacht habe!
    Du weißt es.
    Ihre Hände krampften sich um das Balkongeländer. Immer nur diese Antwort. Du weißt es.
    Nein, jedenfalls konnte sie sich nicht daran erinnern, wie an so vieles andere auch nicht. Aber die Wand in ihrem Gedächtnis blockierte nur die persönlichen Erinnerungen. Sie konnte sich sehr wohl daran erinnern, dass sie Berichte über den Golfkrieg gelesen oder gesehen hatte.
    Und sie erinnerte sich vage an Sand und Hitze.
    Blut im Sand.
    Als wäre sie da gewesen. Sie versuchte, diesen Erinnerungsfetzen festzuhalten, aber er entglitt ihr, wie Sand, der zwischen den Fingern hindurchrinnt.
    Sie atmete tief durch, wandte sich um, ging wieder hinein und in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Erst danach holte sie die Waffe aus der Handtasche und legte sie vor sich auf den Küchentisch.
    Eine Glock. Kaliber 40 oder 10 mm. Die Waffe war ihr so vertraut, als wäre sie ein Bestandteil von ihr. Sie wusste, wo der Druckpunkt des Abzugs war, wie sie bei unterschiedlichen Entfernungen zielen musste.
    Diese Waffe hier, die Waffe des Bodyguards, war nicht modifiziert. Doch es gab noch eine andere Glock. Die Waffe, die sie jetzt in ihrer Erinnerung vor sich sah, hatte einen etwas längeren Lauf, ein anderes Visier, einen breiteren Sicherungsbügel und einen modifizierten Abzug ...
    Eine andere Erinnerung folgte. Sie hielt diese andere Waffe, diese modifizierte Glock, ihre eigene Waffe, in der Hand, in beiden Händen, ein Mann fiel mit überraschtem Gesichtsausdruck nach hinten. Sie hatte ihn erschossen. Er trug einen Smoking. Das Loch in seiner Brust sah genauso aus wie die Löcher in der Jacke des Bodyguards.
    War es vielleicht doch eine Filmszene?
    Ihr Hände zitterten so sehr, dass die Kanne mit einem Klirren an den Becher stieß, als sie versuchte, sich Kaffee einzuschenken. Es ging nicht, sie gab auf und sah auf die Waffe hinunter. Dann ging sie ins Bad, schaltete das Licht ein und sah sich wieder im Spiegel an.
    Sie war kreidebleich, sie musste geweint haben. Ihr Make-up war verlaufen, sie sah schrecklich aus.
    Acht Jahre lang hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als sich an ihre Vergangenheit zu erinnern, und jetzt, wo sie anfing, genau das zu tun, wollte sie nicht mehr.
    Du machst dir was vor. Du willst immer noch weglaufen, doch jetzt ist es zu spät.
    Aber ich bin Lehrerin! Ich bringe Kindern und Jugendlichen etwas bei. Ich versuche, ihnen ein Vorbild zu sein. Ich singe im Kirchenchor, und wenn ich ein bisschen Zeit habe, engagiere ich mich sozial! Ich bin keine Mörderin!
    Wirklich nicht?
    Ausgerechnet die
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