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Shakran

Shakran

Titel: Shakran
Autoren: David Winter
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1953.«
    Val pfiff leise durch die Zähne. »1953?«
    »Kein Zweifel.«
    »Das ist eine lange Zeit«, meinte Val nachdenklich. »Aber erzähl mir morgen mehr. Das ist das erste Mal in dieser Woche, dass ich zum Abendessen zu Hause sein kann. Tom ist schon da und wartet auf mich. Er sagt, er hat französisch gekocht! Du weißt, wie sehr ich die französische Küche liebe! Geh nach Hause, Mark, und schlaf dich mal aus! Cheerio!«
    Sie strahlte ihn an und verließ rasch den Raum. Tick, tick, tick. Ihre Absätze klangen wie ein Metronom. Mark ließ sich in seinen Sessel fallen, lehnte sich zurück und zupfte den Zettel von seiner Brust.
    Val war eine von diesen Frauen, an denen einfach alles stimmte, und von denen gab es nur sehr wenige. Es hatte lange gedauert, bis er und Val ein Team geworden waren. Er fragte sich, ob Val wusste, wie sehr er sie mochte. Wahrscheinlich schon. Kollegen gegenüber war sie meist sehr zurückhaltend, fast kühl. Nur ihm gegenüber war sie offen, fast vertraut. Manchmal, so wie heute, wünschte er, da wäre mehr. Aber sie war vergeben. Nicht nur, dass Mark ihren Mann Tom kennengelernt hatte, der mit seinen fast zwei Metern hundertdreißig Kilo auf die Waage brachte und früher mal Amateurboxer gewesen war, Mark mochte ihn auch. Nur manchmal ... manchmal wünschte er sich, Val wäre nicht vergeben.
    Er drehte sich mit dem Stuhl im Kreis, stand auf, klebte das Post-it an seinen Monitor und ging zum Fenster. Die Sonne ging gerade unter, ein romantischer Anblick, aber bei ihm zu Hause wartete niemand ... außer einer Zimmerpflanze. Und die hatte er schon vor Monaten durch unterlassene Hilfeleistung ermordet.
    Er öffnete seinen Aktenkoffer und nahm das Bild der Frau heraus, musterte es zum tausendsten Mal. Wo bist du?, dachte er. Und was hast du mit der ganzen Sache zu tun?

5
 
    A nn parkte den Wagen, blieb aber sitzen. Sie versuchte zu verstehen, was mit ihr passierte. Nachdem sie den Polizisten Bescheid gesagt hatte, hatte sie so getan, als hätte sie einen Schock, wie man es von einer jungen Frau erwartete. Der eine Polizist hatte sie gebeten, sich hinzusetzen und den Kopf zwischen die Beine zu nehmen, dann war er seinem Kollegen gefolgt.
    Kaum war er außer Sichtweite gewesen, war sie aufgestanden und gegangen. Aber nicht einfach so. Sie hatte den Weg gewählt mit den wenigsten Kameras.
    Das war nichts Neues, sie hatte Kameras noch nie gemocht, und es war schon fast ein Spiel für sie, ihnen auszuweichen. Doch heute war es mehr gewesen als ein Spiel. Heute trug sie die Pistole eines Agenten vom Secret Service in ihrer Handtasche, hatte im Blut eines Toten gekniet und war einem Mörder über den Weg gelaufen.
    Und war geflohen. Warum? Was hatte sie zu verbergen? Warum hatte sie der Polizei nicht die Wahrheit gesagt?
    Zu viele Fragen.
    Sie lachte bitter auf. Das stimmte. Zu viele Fragen.
    Woher wusste sie, wie man eine Pistole in Sekundenschnelle zerlegt und wieder zusammenbaut? Wie man feststellt, ob man verfolgt wird?
    Beides hatte sie getan, während sie den Flughafen verlassen hatte, die Waffe mal eben schnell zerlegt, um sie zu überprüfen, und die ganze Zeit die anderen Verkehrsteilnehmer im Auge behalten, als wären sie gesuchte Terroristen, die ihr ans Leder wollten. Oder Spezialagenten des Secret Service, die sie, eine Terroristin, zu verhaften versuchten.
    Ich werde langsam wahnsinnig, dachte sie.
    Der heutige Tag beweist, meldete sich die kühle Stimme, dass du es nicht bist.
    Und wieso?
    Du wusstest, dass der Mann im Flugzeug ein Mörder ist. Du wusstest, dass er eine Walther benutzen würde. Du hast das alles gewusst, noch bevor es passierte. Schon in Rom, als er ins Flugzeug stieg.
    Und woher soll ich das alles gewusst haben?
    Weil du ihn kennst. Weil ich ihn kenne. Weil du weißt, dass er es schon einmal gemacht hat.
    Was?
    Jemanden auf der Toilette erschossen. Aber das ist lange her. 1963.
    1963 gab es mich noch gar nicht, protestierte sie.
    Ich weiß. Aber genau so hat es sich abgespielt.
    Und woher willst du das alles wissen?
    Du weißt es.
    Nein.
    Doch.
    Geh weg.
 
    Sie wohnte im obersten Stock eines hübsch renovierten Hauses im Kolonialstil. Wenn man einer lokalen Überlieferung Glauben schenken wollte, war es, ungefähr zur Zeit des Bürgerkrieges, ein Bordell gewesen. Eine breite Allee führte von hier aus direkt zum Zentrum, zur Schule waren es nicht einmal zehn Minuten zu Fuß.
    Ihre Wohnung war groß, sonnig, farbenfroh eingerichtet. Sie pflegte keinen besonderen
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