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Sex and the Office

Sex and the Office

Titel: Sex and the Office
Autoren: Eva Sternberg
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berichtete, wieder einmal als Rächerin unterwegs zu sein, platzte ich beinahe vor Stolz. Ich meine, wer konnte schon mit einer Freundin prahlen, die sich an Tiertransporter kettete oder Pelzgeschäfte verwüstete? Dass Becks bei ihren Aktionen schon mehrfach festgenommen worden war, machte die Sache nur umso spannender. Letztes Jahr war Becks nach Madrid gezogen – geflüchtet traf es wohl eher. Denn nachdem sich herumgesprochen hat, dass sie sich ihr spärliches Gehalt aufgebessert hatte, in dem sie hochrangigen Bürohengsten den Kopf verdreht und in verfängliche Situationen gebracht hat, um sie später um eine »kleine Spende für arme Praktikanten« zu bitten, war das Eis hierzulande für Becks bedrohlich dünn geworden. Inzwischen absolvierte sie seit geschlagenen acht Monaten ein Praktikum bei einer hippen Möbelmanufaktur an der Plaza de Castilla. Dass dort, wie sie stets betonte, ausschließlich vor Ort und nur On demand produziert wurde, um Transportwege zu vermeiden und die Materialkosten so gering wie möglich zu halten, machte die Sache meines Erachtens nicht besser. Und unter uns gesagt: Ich fand ihre Einstellung in puncto Nachhaltigkeit wirklich sehr vorbildlich, doch langsam, aber sicher mutierte Becks zu einer regelrechten Ökoterroristin und ging mir damit gehörig auf die Nerven. Wenn Becks nicht gerade mit FSC -zertifiziertem Sperrholz hantierte oder in Versuchslabors einbrach, traf sie sich mit einem gewissen Pedro, der es ihr mächtig angetan hatte und angeblich aussah wie eine Mischung aus Antonio Banderas und Che Guevara. Vielleicht sei an dieser Stelle erwähnt, dass Becks’ Liebhaber in ihren Augen immer aussahen wie ein Klon von irgendwem.
    »Mädels, ich muss euch etwas Schreckliches mitteilen«, verkündete sie, und ihre Miene verhieß nichts Gutes. Gespannt darauf, was jetzt kommen würde, starrte ich auf den Bildschirm. Obwohl die Skype-Verbindung zeitweise abbrach und ich Becks’ Erzählungen nur zur Hälfte folgen konnte, war das ausreichend, um das Ausmaß ihrer Misere zu erfassen. Dieser Pedro hatte sich bloß an sie rangemacht, weil er auf Jobsuche war, und kaum hatte Becks ihn ihrer Chefin in der Manufaktur vorgestellt, hat er den Schwanz eingezogen und sich nicht mehr bei ihr gemeldet. Das war wirklich übel. »Vergiss den Typen«, riet ich Becks. »Im Übrigen sieht er auf dem Foto, das du gepostet hast, weder wie Antonio Banderas noch wie Che Guevara aus, sondern allenfalls wie Julio Iglesias.« Das sollte wohl ausreichen, um seine Kontaktdaten unwiderruflich zu löschen, fand ich, da legte Becks noch einen drauf: »Außerdem weiß ich, dass meine Chefin ohnehin lieber einen Mann einstellen will. Als ob Männer für das Zusammenbauen von Möbeln so viel besser geeignet wären wie Frauen«, murrte sie.
    Ich verkniff mir einen Kommentar. Arme Becks. Dass sie momentan auch noch in einem schrottreifen VW -Bus hauste, um sich die Miete zu sparen, machte die Sache nicht eben einfacher. Obwohl ich meinen Freundinnen nur das Beste wünschte, war ich dennoch erleichtert, dass Becks nicht auch noch mit einer steilen Karriere prahlte. Somit war ich wenigstens nicht die Einzige im Bunde, in deren Leben alles gehörig schieflief. In einem Punkt waren Becks und ich uns allerdings immer schon einig gewesen: Kapitulation kam nicht infrage. Becks und ich hatten sogar einmal zusammen ein Praktikum absolviert, ausgerechnet in einem Callcenter. Gäbe es ein Ranking der miesesten Praktika, würde dieses ganz sicher einen der vordersten Plätze belegen. Gelernt haben Becks und ich während dieses – unbezahlten – Praktikums vor allem eines: jede Menge Kraftausdrücke, die wir tagtäglich von wütenden Kunden an den Kopf geworfen bekommen haben.
    »Scheiße, Becks – wenn du nicht aufpasst, schnappt dir dieser Pedro noch den Job weg, für den du dich seit Monaten so ins Zeug legst«, befürchtete Valerie.
    »Mir wird schon was einfallen«, grummelte Becks, »zuallererst werde ich mir das hier entfernen lassen.« Sie zog ihr T-Shirt an der Schulter herunter und gab die Sicht auf ein Tattoo frei, das die markanten Gesichtszüge eines Mannes zeigte.
    Au, shit.
    Valerie lachte auf. »Schätzchen, was hast du dir nur dabei gedacht?«
    »Jetzt lass Sie doch mal in Ruhe«, nahm ich Becks in Schutz. »Nicht jeder ist so angepasst wie du.«
    »Sagt ja die Richtige«, stichelte Valerie.
    »Was meinst du damit?«
    »Komm schon, Charly – wann hast du das letzte Mal etwas wirklich Verrücktes
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