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Serial

Serial

Titel: Serial
Autoren: J Kilborn , Blake Crouch
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hatte es bereits vermutet, aber die vorhergehende Nacht mit Mark Darling hatte es ihr noch einmal bestätigt: Andrew konnte ihre Gedanken lesen. Sie wusste, dass er schon einmal jemanden umgebracht hatte, denn die Art, wie er das Innenleben seiner Killer in den Büchern beschrieb, glich haargenau ihren eigenen Erfahrungen und Empfindungen. Sie wollte näher an ihn heran, aber die um ihn versammelte Menge hatte ihn erfolgreich vom Rest der Bar abgeschirmt.
    Etwas in ihr löste sich, und sie verspürte ein dunkles, unbändiges Verlangen, mit ihm in Verbindung zu treten, und für einen Augenblick lang trat das Geräusch der Menge in den Hintergrund. Sie starrte ihn an und forderte ihn innerlich heraus, sie anzuschauen. Sie wollte nur einen einzigen Moment seiner Aufmerksamkeit. Der Barkeeper reihte gerade dreizehn kleine Gläser auf und füllte sie mit zwei Flaschen Patron Silver, eine in jeder Hand.
    Andrew würdigte Lucy keines Blicks. Sie beobachtete den Barkeeper, wie er der Gruppe das Tablett mit Tequila brachte, verfolgte, wie Andrew die Gläser aushändigte, und hörte, wie sie miteinander anstießen und sich zuprosteten.
    Da fing sie auf einmal zu weinen an. Sie war wieder unsichtbar geworden.
    Lucy kämpfte sich erneut durch die Menge zur Eingangshalle, ging rasch auf die Lifte zu und redete sich derweil zu, dass morgen ein neuer Tag sein würde. Bei Andrews Signierstunde war noch alles möglich.
    Als sie in ihr Zimmer trat, hielt sie für einen Moment inne, verweilte unter dem Türrahmen und überlegte, ob das Essen, das der Zimmerservice gebracht hatte, schon schlecht geworden war. Das war es nicht. Natürlich war es das nicht.
    Sie öffnete die Tür zum Badezimmer, und der Gestank stieg ihr in die Nase. Mark roch jetzt nicht mehr so gut.
    Sie schnappte sich ein Handtuch von der Stange, schob es in die Ritze zwischen Teppich und Unterkante der Tür und schloss sie. Dann ging sie zum Bett, zog ihre Turnschuhe aus und deckte sich zu. Sie löschte das Licht, machte die Augen zu und öffnete sie wieder. Der Geruch war noch immer präsent. Er wurde von Minute zu Minute penetranter. Sie schaltete das Licht wieder an und lehnte sich gegen das Kopfende des Betts. Das war nicht gut. Zum einem, weil sie bei diesem Gestank nie einschlafen könnte, und zum anderen würde es noch schlimmer werden. Was ihr aber am meisten Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass sie den Geruch eindämmen musste, wenn sie Andrew Thomas morgen in ihr Zimmer locken wollte. Sonst würde er sich schon beim ersten Atemzug ekeln, und das würde keinen guten Eindruck hinterlassen.
    Sie sprang aus dem Bett und ging erneut ins Badezimmer. Dort öffnete sie eines der Shampoofläschchen des Hotels und goss den Inhalt über Mark, der mittlerweile eine purpurne Farbe angenommen hatte und aufgequollen war. Sie drehte die Dusche auf. Als das heiße Wasser auf den Leichnam herabprasselte, sah sie, dass er auslief. Die Hitze des Wassers verschlimmerte den Gestank noch.
    Sie stellte die Dusche wieder ab, schnappte sich die Mülltüte aus dem Mülleimer neben dem Waschtisch und ging zur Tür.
    Ihre nackten Füße schlichen über den Teppich des Flurs zu den Verkaufsautomaten an der Ecke neben dem Lift. Fünfzig Meter unter ihr ertönten gelallte irische Trinklieder aus der Hotelbar.
    Sie hielt die Plastiktüte offen, sodass die Eiswürfel aus der Maschine hineinpurzeln konnten, trug die volle Tüte zurück zum Zimmer, ging ins Bad, wo sie den Stöpsel in die Dusche drückte, und schüttete schließlich das Eis über Mark Darling aus. Aber eine Tüte reichte nicht. Sie würde viel, viel mehr Eis brauchen.
    Nach fünfmal Hin und Her hatte sich ein beachtlicher Berg aus Eiswürfeln auf der Brust des Autors angehäuft.
    Nach zehnmal trat sie in die Dusche und verteilte das Eis gleichmäßig, bis es fast den gesamten Leichnam bedeckte. Noch ein-, vielleicht zweimal und ihr Werk war vollbracht.
    Lucy griff nach der Tüte auf dem Boden und hob sie auf.
    Als sie sich der Badezimmertür zuwandte, öffnete sich diese.
    Sie erstarrte.
    Ein Mann stand unter dem Türrahmen, und für einen winzigen Augenblick glaubte sie, es wäre Andrew Thomas. Doch er war anders gekleidet und trug ein weißes T-Shirt und Jeans. Außerdem waren seine Haare zerzaust, und er blinzelte, als ob er gerade aufgewacht wäre.
    Er starrte zuerst auf die Blutspritzer auf dem Boden, dann auf die Mülltüte in Lucys Hand und schließlich auf Lucy selbst.
    Es schien fast eine volle Minute zu vergehen,
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