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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Autoren: Rachel Hartman
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die Schuppen aus meiner Haut gewachsen waren und wie man sich fühlt, wenn man sich abstoßend findet, und wie das Lügen eine immer unerträglichere Last wird.
    Es tat mir gut zu reden. Die Worte sprudelten mit solcher Macht hervor, dass ich mir vorkam wie ein übervoller Krug, den man ausschüttet. Danach ging es mir besser, und diesmal empfand ich die innere Leere als Erleichterung, als etwas, das sich zu bewahren lohnte.
    Ich betrachtete Kiggs. Seine Augen waren noch nicht müde geworden, aber ich war plötzlich verlegen, ob meines langen Monologs. »Ich habe sicher manches vergessen, aber es gibt Dinge, die ich selbst noch nicht recht begreife.«
    »Die Welt in mir ist größer und vielgestaltiger als dieses dürftige, weite Feld, bewohnt nur von Galaxien und Göttern«, zitierte er. »Langsam verstehe ich, weshalb du Necans liebst.«
    Ich sah ihn an, in seinem Blick lag Wärme und Mitleid. Er hatte mir vergeben. Nein, besser: Er hatte mich verstanden. Der Wind pfiff um uns herum und spielte mit seinen Haaren. Ich nahm meinen Mut zusammen und sagte stockend: »Da ist noch etwas Wichtiges, dass Ihr … dass du wissen sollst. Ich … ich liebe dich.«
    Er sah mich an und sagte kein Wort.
    »Es tut mir leid.« Jetzt verließ mich auch der letzte Rest Mut. »Alles, was ich mache, ist falsch. Verzeiht mir. Ihr seid in Trauer, Glisselda braucht Euch, und gerade erst habt Ihr erfahren, dass ich ein halbes Ungeheuer bin –«
    »An dir ist gar nichts ungeheuer«, widersprach er heftig.
    Ich brauchte einen Augenblick, um meine Stimme wiederzufinden. »Ich wollte, dass Ihr das wisst. Ich möchte von hier mit reinem Gewissen weggehen, weil ich Euch endlich die Wahrheit gesagt habe. Ich hoffe, das zählt etwas in Euren Augen.«
    Er blickte zum Himmel, der sich langsam rötete, und sagte mit einem selbstironischen Lachen: »Du beschämst mich, Serafina. Dein Mut hat mich immer beschämt.«
    »Das ist kein Mut, das ist Dickköpfigkeit und Starrsinn.«
    Er schüttelte den Kopf, sein Blick war ins Leere gerichtet. »Ich erkenne Mut, wenn ich ihn sehe und wenn ich ihn an mir vermisse.«
    »Ihr seid zu streng mit Euch selbst.«
    »Ich bin ein Bastard, und das machen alle Bastarde so«, sagte er und lächelte bitter. »Du weißt am besten, welche Last es ist, wenn man stets beweisen muss, dass man eine Daseinsberechtigung hat, man jenen tiefen Kummer, den die eigene Mutter verschuldet hat, wert ist. Im Wörterbuch der Herzen sind Bastarde das Gleiche wie Ungeheuer; deshalb hattest du auch immer ein so tiefes Verständnis für mich.« Er rieb sich die kalten Hände. »Willst du dir noch eine Geschichte voller Selbstmitleid über traurige Bastardkinder anhören?«
    »Ich würde sie gerne anhören, ich habe sie wahrscheinlich sogar selbst mal durchlebt.«
    »Nicht diese Geschichte«, sagte er und zupfte ein Stück Moos vom Geländer. »Als meine Eltern ertranken und ich zum ersten Mal hierherkam, war ich sehr zornig. Ich spielte absichtlich den Bastard, ich benahm mich so schlecht, wie man sich als kleiner Junge nur benehmen kann. Ich log, ich stahl, ich suchte Streit mit den Pagen, ich brachte meine Großmutter in Verlegenheit, wann immer ich konnte. So benahm ich mich jahrelang, bis sie Onkel Rufus holte –«
    »Möge er am Herzen aller Heiligen ruhen«, sagten wir gleichzeitig und Kiggs lächelte betrübt.
    »Sie holte ihn aus Samsam, denn sie dachte, er hätte eine starke Hand, mit der er mich im Zaum halten könnte. Das konnte er auch, doch es dauerte Monate, bis es so weit war. In mir war eine Leere, die ich nicht verstand. Er erkannte sie und gab ihr einen Namen. ›Du bist wie dein Onkel, Junge‹, sagte er. ›Wir fühlen uns nicht wohl auf der Welt, wenn wir keine richtige Aufgabe haben. Die Heiligen wollen, dass man eine Bestimmung hat. Bete, gehe mit offenem Herzen durch die Welt, dann wirst du den Ruf hören. Deine Aufgabe wird vor dir erstrahlen wie ein Stern.‹ Also betete ich zu Sankt Clare, aber ich ging noch einen Schritt weiter: Ich gab ihr ein Versprechen. Wenn sie mir meinen Weg zeigte, würde ich von diesem Tage an nichts anderes als die Wahrheit sagen.«
    »Sankt Masha und Sankt Daan!«, platzte ich heraus. »Das erklärt so manches.«
    Er lächelte leicht. »Sankt Clare hat mich gerettet und mir zugleich die Hände gebunden. Aber ich greife zu weit voraus. Einige Zeit später ging Onkel Rufus als Vertreter des Königshauses auf eine Hochzeit. Ich begleitete ihn. Es war das erste Mal seit Jahren, dass ich die
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