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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Autoren: Rachel Hartman
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mein Zögern. »Ich weiß, er ist übel gelaunt, seit er erfahren hat, dass du ein Halbdrache bist«, sagte sie und beugte sich zu mir. »Du verstehst doch sicher, dass es ihm schwerfällt, sich an diese Vorstellung zu gewöhnen.«
    »An meiner Wertschätzung für ihn ändert das nichts«, sagte ich.
    »Ebenso wenig wie an meiner Wertschätzung für dich«, sagte Glisselda tapfer. Sie erhob sich, und auch ich stand auf, in der Annahme, das Gespräch sei beendet. Sie streckte die Arme aus, zauderte, ließ sie wieder sinken – doch dann riss sie sich zusammen und umarmte mich. Ich drückte sie an mich und ließ meinen Tränen freien Lauf, wobei ich selbst nicht so genau wusste, ob aus Erleichterung oder Bedauern.
    Sie ließ mich los und warf den Kopf in den Nacken. »Es war gar nicht so schwer, mich damit abzufinden«, sagte sie entschlossen. »Reine Willenssache.«
    Ihre Worte kamen etwas zu prompt, aber ich erkannte die gute Absicht dahinter und glaubte uneingeschränkt an ihren eisernen Willen. Sie sagte: »Ich werde Lucian schelten, falls er sich dir gegenüber jemals unhöflich betragen sollte, Serafina! Lass es mich wissen!«
    Ich nickte und mein Herz brach ein wenig. Dann machte ich mich auf den Weg zum Ostturm.

    Anfangs war ich gar nicht sicher, ob er überhaupt da war. Die Tür zum Turm war nicht verschlossen, deshalb konnte ich ungehindert die Stufen hinaufsteigen. Mein Herz klopfte bis zum Hals, als ich das Turmzimmer betrat. Es war leer. Nun ja, nicht ganz – es war vollgestopft mit Büchern, Schreibfedern, Pergamenten, Gesteinsproben und Fernrohren, alten Schatullen und Zeichnungen. So wie die Königin hatte auch der Prinz sein eigenes Studierzimmer; es war entzückend unordentlich und alles war in Gebrauch. Ich hatte gar nicht auf die Umgebung geachtet, als wir mit Lady Corongi hier oben gewesen waren. Was ich sah, ließ ihn mir noch liebenswürdiger erscheinen, und das stimmte mich traurig.
    Der Wind fuhr mir mit eiskaltem Finger über den Rücken. Die Tür zur Balustrade stand einen Spaltweit offen. Ich holte tief Luft, unterdrückte meine Höhenangst und öffnete die Tür.
    Er stand an die Brüstung gelehnt und blickte auf die Stadt, über der gerade die Sonne unterging. Der Wind spielte in seinem Haar, der Saum des Mantels tanzte in der Brise. Zögernd trat ich näher, suchte mir einen Weg zwischen den Eispfützen und zog meinen Umhang enger, um mich zu wärmen und mir Mut zu machen.
    Er wandte sich mir zu, der Blick seiner dunklen Augen war unbeteiligt, wenn auch nicht unfreundlich. Ich brachte stotternd meine Botschaft vor: »Glisselda hat mich hergeschickt, um Euch auszurichten, dass man mit Sankt Eustach Totenwache für ihre Mutter halten wird, sobald die Sonne versunken ist, und sie, ähm …«
    »Ich habe es nicht vergessen.« Er blickte weg. »Die Sonne ist noch nicht untergegangen, Serafina. Würdest du ein Weilchen bei mir bleiben?«
    Ich trat zur Brüstung und sah zu, wie die Schatten in den Bergen immer länger wurden. Mit welchem Entschluss auch immer ich hierhergekommen war, er verging wie die Sonne. Und vielleicht war das auch gut so. Kiggs würde wieder zu seiner Cousine gehen und ich würde in den Süden reisen und mich auf die Suche nach meinen Artgenossen machen. Alles würde so sein, wie es sein sollte, wenigstens oberflächlich betrachtet, und alle meine ungehörigen und unpassenden Gedanken wären dort verstaut, wo sie niemand fände.
    Bei allen Knochen der Heiligen, ich wollte so nicht länger leben.
    »Ich habe alles gesagt …«, fing ich an. Meine Worte wurden zu Kristallen in der eisigen Luft.
    »Wirklich alles?«, fragte er. Sein Ton war nicht so scharf wie damals beim Verhör, aber ich wusste trotzdem, wie viel von meiner Antwort abhing.
    »Alles, was wichtig ist, ja«, sagte ich fest. »Vielleicht nicht alle merkwürdigen Einzelheiten. Fragt mich, und ich werde antworten. Was wollt Ihr wissen?«
    »Alles.« Er stand an die Brüstung gelehnt, aber jetzt richtete er sich auf und packte mit beiden Händen fest das Geländer. »So habe ich es immer gehalten: Wenn es etwas zu wissen gibt, dann will ich es auch wissen.«
    Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte, also redete ich einfach drauflos. Ich erzählte ihm, wie ich unter der Last der Visionen beinahe zusammengebrochen wäre und deshalb den Garten angelegt hatte, und von den Erinnerungen meiner Mutter, die um mich herum fielen wie Schneeflocken. Ich erzählte ihm, wie ich erkannt hatte, dass Orma ein Drache war, wie
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