Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
Vom Netzwerk:
ihre einzige Tochter in Belas Alter gestorben war, konnte ich ihre bis heute andauernde Trauer ganz gut nachempfinden. »Meine kleine Cindy wäre jetzt so alt wie Sie«, sagte sie, griff mit dürrer Hand in «meinen Nacken und zog mich näher.
    Um weiteren Liebkosungen zu entgehen, stand ich auf; da es erst zehn Uhr und längst noch keine übliche Schlafenszeit war, sprach ich von einer beginnenden Erkältung.
    Obwohl ich es gewohnt war, bei frischer Luft zu schlafen, verschloß ich diesmal Türen und Fenster, so daß ich leider auch dem Chor der Frösche und Nachtigallen nicht lauschen konnte. Dann zog ich den seidenen Schlafanzug mit einem wilden Muster aus Drachen und Pagoden an, betrachtete mich eine Weile im Spiegel und türmte einen Büchervorrat auf den Nachttisch. Es wäre immer noch ein leichtes, Pamela beim morgigen Frühstück das Methadon in den Kaffee zu kippen, aber wie konnte ich sie zu einem anschließenden ausgedehnten Dauerlauf zwingen? Mit finsteren Gedanken im Herzen schlief ich viel zu früh ein, um bereits um drei Uhr nachts wieder aufzuwachen.
    Es war stickig und stockdunkel. Leise schlüpfte ich aus den Federn und öffnete die Tür ms Freie, um tief durchzuatmen.
    Draußen war es frisch, aber keineswegs kalt. Barfuß huschte ich auf die Terrasse und lief um das Haus auf einen Lichtschein zu. Irgendwo brannte noch eine Lampe.
    In Pamelas Schlafzimmer verhinderten keine zugezogenen Gardinen die freie Sicht auf ihr Bett. Sie schlief ebensowenig wie ich, sondern saß kerzengerade gegen einen Kissenwall gelehnt, hatte ihre Brille aufgesetzt und studierte aufmerksam einen kleingedruckten Zettel. Ich schlich näher heran.
    Die Amerikanerin hatte einen Revolver nebst Munition vor sich ausgebreitet und brütete offensichtlich über der Gebrauchsanweisung.
    Ziemlich ungeschickt versuchte sie, Patronen in die Trommel einzulegen, was ihr aber auf Anhieb nicht glücken wollte.
    Als ich begriff, was sie vorhatte, konnte ich nur müde den Kopf schütteln. Hier wurde auf dilettantische Weise ein Mord geplant, ohne auch nur im geringsten die Folgen zu bedenken. Verdrossen fragte ich mich, wie sie beispielsweise meine Leiche beseitigen würde? Das wird im Leben nichts, dachte ich und trat kurz entschlossen zu einem Gegenbesuch in Pamelas Schlafzimmer, warf dabei aber einen der beiden gefleckten Kaminhunde aus England um, die ihr Bett bewachten. Sie erschrak so, daß ihr das gesamte Arsenal aus den Händen rutschte.
    Unverzüglich raffte ich Waffe und Patronen vom Boden auf, lud vorschriftsmäßig, spannte den Hahn und schwang mich auf den Kleiderberg, der über den einzigen Stuhl quoll. Anscheinend bot ich das perfekte Bild eines gemeinen Flintenweibs und jagte Pamela eine solche Angst ein, daß sie gar nicht erst versuchte, etwas von Einbrechergeräuschen zu faseln. »Es geht mir einzig und allein um den Matisse«, stotterte sie, »der Revolver sollte nur ein kleiner Scherz sein, sozusagen eine Drohgebärde...«
    »Dafür braucht man ihn aber nicht zu laden«, sagte ich.
    »Wollten Sie mich wirklich umbringen, bloß um ein Gemälde zu besitzen?«
    Wieder einmal mußte ich an Cora denken, die mir wie eine jüngere Ausgabe dieser Frau erschien: verwöhnt, skrupellos und habgierig.
    »Um nur zwei banale Beispiele zu nennen: Wie wollen Sie bei einem polizeilichen Verhör mein Verschwinden erklären?
    Und wo können Sie langfristig eine Leiche verbergen?«
    Pamela grübelte ernsthaft darüber nach, wie sie mir mit einer praktikablen Lösung imponieren könnte. »Wahrscheinlich würde ich den Gärtner nicht einweihen, der ist zu anständig.
    Aber Lucias Freund Dino hätte sicher keine Skrupel, eine Grube auszuheben«, schlug sie vor. »Allerdings mußte ich dann wohl beiden ein Schweigegeld zahlen«
    »So etwas kann sehr teuer werden«, gab ich zu bedenken.
    »Die zwei könnten Sie ein Leben lang erpressen. Ganz abgesehen davon, daß die Sache trotzdem auffliegen würde.«
    »Und genau deswegen werden Sie mich jetzt auch nicht erschießen«, sagte Pamela, nicht ganz ohne Logik.
    »Wissen Sie was?« sagte ich. »Da wir mit solchen Spekulationen keinen Schritt weiterkommen, sollten wir zu einer Einigung gelangen, mit der beide Teile leben können.«
    »Gut. Wieviel?« fragte sie erleichtert.
    »Mir schwebt jetzt eigentlich kein Phantasiebetrag vor, sondern eher ein unkonventioneller Tausch: Ihr Haus gegen meinen Matisse. Einverstanden?«
    Sie schluckte und machte eine abwehrende Gebärde.
    »Mein Haus ist aber viel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher