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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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offenen Karten spielte. Aber da sie den Matisse unter allen Umständen besitzen und nicht weiterverkaufen wolle, sei die Herkunft sekundär. Ihrerseits würde sie sich von einem solchen Kleinod nie im Leben trennen, sondern es mit nach Amerika nehmen und dort in ihrem Schlafzimmer aufhängen.
    »Natürlich werde ich Tapeten in einem passenden Muster aussuchen. Jeden Morgen, wenn mein erster Blick auf dieses Bild fällt, wird mir die Odaliske Freude und Glück für den ganzen Tag verheißen.«
    Das Angebot einer risikofreien Veräußerung war zwar verlockend, aber nun war mein Ehrgeiz geweckt, den Preis durch Verweigerung in die Höhe zu treiben.
    »Freude und Glück können Sie sich nicht kaufen«, sagte ich weise, »außerdem kriegt man nicht alles im Leben, was man sich wünscht!«
    Anscheinend wirkten meine Worte erheiternd auf Pamela.
    »Sieh da, das Küken will klüger sein als die Henne!«
    meinte sie schmunzelnd. »Auf Menschen bezogen hat Ihre Philosophie sogar eine gewisse Berechtigung, aber Gegenstände kann man fast immer kaufen, wenn man genug dafür bietet.«
    So kann auch nur eine Millionärin reden, dachte ich und versprach, über den Verkauf nachzudenken, denn ich wollte Zeit schinden.
    Von da an war Pamela die liebenswürdigste Gastgeberin, die man sich vorstellen konnte, zeigte mir das gesamte Anwesen und kam erneut auf ihr persönliches Liebesdrama zu sprechen. »Wir haben uns bei einer Vernissage in Siena kennengelernt; alle Bilder, die an diesen Wänden hängen, stammen von ihm. Weil er mir als Mann so gut gefiel, kaufte ich seine gesamten Exponate auf und erkannte erst später, daß er letzten Endes bloß ein Epigone ist. Viel zu schnell habe ich mich betören lassen und dieses Landhaus erworben, nur um ihm nahe zu sein; mir schwebte ein arkadisches Dasein mit meinem Geliebten vor, aber er kam fast nie zu Besuch, und alle meine Freunde leben in den Staaten. Ich bleibe eine Fremde in einem fremden Land!«
    Falls sie mein Mitleid erwecken wollte, war sie an die Falsche geraten. Vorläufig sprachen wir beide kein Wort mehr über einen eventuellen Handel, aber wahrscheinlich dachte sie -genauso wie ich - die ganze Zeit darüber nach.
    Schon früh hatte Lucia den Tisch gedeckt und servierte das Essen. Eigentlich hatte ich feinste toskanische Küche erwartet, aber davon konnte keine Rede sein: Meine Gastgeberin bevorzugte eine strohige Diät aus kalorienarmen Grapefruits, Selleriesalat, trockener Hühnerbrust und einem Cracker. Allerdings schien sie bei den Getränken eine härtere Gangart vorzulegen.
    Weil ich auf keinen Fall riskieren wollte, daß mich Dino beim Abholen seiner Freundin hier sitzen sah, täuschte ich kurz nach der lustlosen Nahrungsaufnahme eine momentane Unpäßlichkeit vor und verschwand im Gästezimmer.
    Lucia, die mir meine frustrierten Gelüste an der Nasenspitze ansah, folgte mir auf mein Zimmer und brachte mir geröstetes Brot mit Knoblauch, Öl und ein Stückchen pecorino fresco. Gierig biß ich hinein, und erst als ich hörte, daß ein Wagen nahte und schließlich davonfuhr, verließ ich mein Versteck und gesellte mich wieder zu Pam auf die Terrasse.
    Als Folge ihres stetigen Whiskeykonsums hätte sie eigentlich betrunken sein müssen, da sie es nicht war, schloß ich auf Gewöhnung. Schon vor dem Abendessen hatte sie die langen weißen Hosen gegen ein schilfgrünes Schlauchkleid mit U-Boot-Kragen eingetauscht und ein dazu passendes Collier aus Smaragden und Diamanten angelegt.
    Schmuck schien sie zu mögen, wie gut, daß ich heute nicht die Granatbrosche von Coras Großmutter trug und in Versuchung geriet, sie zu verkaufen.
    Die Amerikanerin kam schnell zur Sache: »Haben Sie inzwischen nachgedacht? Es muß Ihnen durchaus nicht peinlich sein, einen gesalzenen Preis zu verlangen. Außerdem können Sie mit diesem Bild doch wenig anfangen, um so mehr aber mit dem Gegenwert! Zum Beispiel eine Weltreise oder Zugang zu einem Golfklub, um sich einen reichen Ehemann zu angeln. So habe ich als junges Ding meine Karriere begonnen.«
    »Ich bin bereits verheiratet«, sagte ich trotzig.
    Pamela zeigte sich überrascht. »Und - hat er Geld? Ist er treu? Lieben Sie ihn?«
    Nichts davon traf zu, aber das ging keinen etwas an. Ich zuckte mit den Schultern, als ob ich es selbst nicht wüßte, und konterte: »Haben Sie eigentlich Kinder?«
    Mit meiner Gegenfrage hatte ich ihren wunden Punkt getroffen. Der Alkohol zeigte nun doch seine Wirkung, denn Pamela fing verhalten an zu weinen. Weil
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