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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz
Autoren: Schlink
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liegt darin ein Versprechen, auch wenn es nicht eingelöst und nicht einmal gegeben wird.
    »Darf ich Sie zu Herrn Direktor Firner führen?« Sie ging vor mir durch die Tür, mit hübschem Schwung in Hüfte und Po. Schön, daß enge Röcke wieder Mode sind. Firners Büro lag im 19. Stock. Vor dem Fahrstuhl sagte ich zu ihr: »Lassen Sie uns die Treppe nehmen.«
    »Sie sehen nicht aus, wie ich mir einen Privatdetektiv vorgestellt habe.«
    Ich hatte diese Bemerkung schon oft gehört. Inzwischen weiß ich, wie Leute sich Privatdetektive vorstellen. Nicht nur jünger. »Sie sollten mich im Regenmantel sehen!«
    »Ich meinte das positiv. Der im Trenchcoat hätte mit dem Dossier, das Ihnen Firner gleich geben wird, seine liebe Not gehabt.«
    »Firner«, hatte sie gesagt. Ob sie was mit ihm hatte? »Sie wissen also, worum es geht.«
    »Ich gehöre sogar zu den Verdächtigen. Im letzten Vierteljahr hat mir der Computer jeden Monat fünfhundert Mark zuviel überwiesen. Und über mein Terminal hab ich Zugang zum System.«
    »Haben Sie das Geld zurückzahlen müssen?«
    »Ich bin kein Einzelfall. Betroffen sind 57 Kolleginnen, und die Firma überlegt noch, ob sie zurückfordert.«
    In ihrem Vorzimmer drückte sie auf den Knopf der Sprechanlage. »Herr Direktor, Herr Selb ist da.«
    Firner hatte zugenommen. Die Krawatte kam jetzt von Yves Saint Laurent. Immer noch waren Gang und Bewegungen flink und der Händedruck nicht fester. Auf seinem Schreibtisch lag ein dicker Ordner.
    »Grüß Sie, Herr Selb. Schön, daß Sie sich der Sache annehmen. Wir dachten, es ist das beste, ein Dossier vorzubereiten, aus dem die Einzelheiten hervorgehen. Inzwischen sind wir sicher, daß es sich um gezielte Sabotageakte handelt. Den materiellen Schaden haben wir bislang zwar begrenzen können. Aber wir müssen ständig mit neuen Überraschungen rechnen und können uns auf keine Information verlassen.«
    Ich blickte ihn fragend an.
    »Fangen wir mit den Rhesusäffchen an. Unsere Fernschreiben werden über die Textverarbeitung erstellt und, wenn sie nicht dringend sind, im System gespeichert; sie gehen dann raus, wenn der günstige Nachttarif gilt. So verfahren wir auch mit unseren indischen Bestellungen; halbjährlich braucht unsere Forschungsabteilung rund hundert Rhesusäffchen, mit Exportlizenz des indischen Handelsministeriums. Statt über hundert ging vor zwei Wochen eine Bestellung über hunderttausend Äffchen raus. Zum Glück fanden die Inder das seltsam und fragten zurück.«
    Ich stellte mir hunderttausend Rhesusäffchen im Werk vor und grinste. Firner lächelte gequält.
    »Ja, ja, das Ganze hat komische Aspekte. Auch das Durcheinander bei der Tennisplatzverteilung hat allerhand Heiterkeit ausgelöst. Wir müssen jetzt jedes Telex noch mal angucken, ehe es rausgeht.«
    »Woher wissen Sie, daß es sich nicht um einen Tippfehler gehandelt hat?«
    »Die Sekretärin, die den Telextext eingegeben hat, hat ihn wie üblich zur Korrektur und Paraphierung durch den Sachbearbeiter ausdrucken lassen. Der Ausdruck weist die richtige Zahl aus. Also wurde am Telex manipuliert, als es im Speicher in der Warteschlange war. Wir haben auch die übrigen Vorfälle, die im Dossier enthalten sind, untersucht und können Fehler bei der Programmierung oder Datenerfassung ausschließen.«
    »Gut, das kann ich im Dossier lesen. Sagen Sie mir noch etwas zum Kreis der Verdächtigen.«
    »Da sind wir konventionell vorgegangen. Von den Mitarbeitern, die eine Zugangsberechtigung oder –möglichkeit haben, haben wir alle ausgeschieden, die sich seit mehr als fünf Jahren bewährt haben. Da der erste Vorfall vor sieben Monaten passierte, entfallen alle, die seitdem eingestellt worden sind. Bei einigen Vorfällen ließ sich der Tag rekonstruieren, an dem ins System eingegriffen wurde, zum Beispiel bei dem Telex. Damit entfallen die an diesem Tag Abwesenden. Dann haben wir bei einem Teil der Terminals über einen gewissen Zeitraum alle Eingaben protokolliert und nichts gefunden. Und schließlich«, er lächelte selbstgefällig, »können wir wohl die Direktoren ausschließen.«
    »Wie viele sind übriggeblieben?« fragte ich.
    »Rund hundert.«
    »Da hab ich ja Jahre zu tun. Und was ist mit Hackern von draußen? Von so was liest man doch.«
    »Das konnten wir in Zusammenarbeit mit der Post ausschließen. Sie sprechen von Jahren – wir sehen auch, daß der Fall nicht einfach ist. Trotzdem drängt die Zeit. Das Ganze ist nicht nur lästig; mit allem, was wir an Betriebs-
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