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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz
Autoren: Schlink
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erst überlegen.
    An der Balkontür kratzte der Kater. Ich machte auf, und Turbo legte mir eine Maus vor die Füße. Ich bedankte mich und ging zu Bett.

5
Bei Aristoteles, Schwarz, Mendelejew
und Kekulé
    Mit dem Sonderausweis fand ich leicht einen Parkplatz auf dem Werkgelände für meinen Kadett. Ein junger Werkschutzmann brachte mich zu seinem Chef.
    Danckelmann stand es auf der Stirn geschrieben, daß er darunter litt, kein richtiger Polizist, geschweige denn ein richtiger Geheimdienstler zu sein. Das ist mit allen Werkschutzleuten dasselbe. Noch ehe ich ihm meine Fragen stellen konnte, hatte er mir erzählt, daß er bei der Bundeswehr nur aufgehört hatte, weil sie ihm zu lasch war.
    »Ihr Bericht hat mich sehr beeindruckt«, sagte ich. »Sie deuten darin Ärger mit Kommunisten und Ökologen an?«
    »Man kriegt die Burschen nur schwer zu fassen. Aber wer eins und eins zusammenzählt, weiß, was aus welcher Ecke kommt. Ich muß Ihnen auch sagen, ich verstehe nicht recht, warum man Sie von außen dazugeholt hat. Wir hätten das schon selber aufklären können.«
    Sein Assistent kam ins Zimmer. Thomas, wie er mir vorgestellt wurde, wirkte kompetent, intelligent und effizient. Ich verstand, wieso Danckelmann sich als Chef des Werkschutzes behaupten konnte. »Haben Sie dem Bericht noch etwas hinzuzufügen, Herr Thomas?«
    »Sie sollen wissen, daß wir das Feld nicht einfach Ihnen überlassen werden. Niemand ist geeigneter als wir, den Täter zu fassen.«
    »Und wie wollen Sie das machen?«
    »Ich glaube nicht, Herr Selb, daß ich Ihnen das sagen möchte.«
    »Doch, das wollen und das müssen Sie mir sagen. Zwingen Sie mich nicht, mich auf die Einzelheiten meines Auftrags und meiner Vollmacht zu berufen.« Mit solchen Leuten muß man förmlich werden.
    Thomas wäre hartnäckig geblieben. Aber Danckelmann unterbrach: »Es hat schon seine Richtigkeit, Heinz. Firner hat heute früh angerufen und uns zu rückhaltloser Zusammenarbeit verpflichtet.«
    Thomas gab sich einen Ruck. »Wir haben uns überlegt, mit Hilfe des Rechenzentrums einen Köder auszulegen und eine Falle zu bauen. Wir werden alle Systembenutzer über die Einrichtung einer neuen, streng vertraulichen und, das ist der springende Punkt, absolut sicheren Datei informieren. Diese Datei zur Aufnahme von besonders klassifizierten Daten läuft aber leer, sie existiert genaugenommen gar nicht, weil entsprechende Informationen nicht vorkommen werden. Es würde mich wundern, wenn die Ankündigung der absoluten Sicherheit den Täter nicht herausfordern würde, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und sich zur Datei Zugang zu verschaffen. Sobald sie angesprochen wird, verzeichnet der zentrale Rechner die Merkmale des Benutzers, und damit sollte der Fall erledigt sein.«
    Das hörte sich einfach an. »Warum machen Sie das erst jetzt?«
    »Die ganze Geschichte hat bis vor ein, zwei Wochen noch niemanden interessiert. Und außerdem«, er legte die Stirn in Falten, »wir vom Werkschutz sind nicht die ersten, die darüber informiert werden. Wissen Sie, man hält den Werkschutz immer noch für eine Ansammlung pensionierter oder, schlimmer noch, gefeuerter Polizeibeamter, die zwar den Schäferhund auf jemanden hetzen können, der über den Betriebszaun klettert, aber nichts im Kopf haben. Dabei sind wir heute Fachkräfte in allen Fragen betrieblicher Sicherheit, vom Objektschutz bis zum Personenschutz und eben auch bis zum Datenschutz. Wir richten gerade an der Fachhochschule Mannheim einen Studiengang ein, der zum Diplom-Sicherheitswart ausbilden wird. Die Amerikaner sind uns da, wie immer …«
    »Voraus«, ergänzte ich. »Wann wird die Falle fertig sein?«
    »Heute ist Donnerstag. Der Leiter des Rechenzentrums will die Sache am Wochenende selbst vorbereiten, und am Montagmorgen sollen die Benutzer informiert werden.«
    Die Aussicht, den Fall schon am Montag abschließen zu können, war verlockend, auch wenn es dann nicht mein Erfolg wäre. Aber in einer Welt der Diplom-Sicherheitswarte hat meinesgleichen sowieso nichts verloren.
    Ich wollte nicht gleich aufgeben und fragte: »In meinem Dossier habe ich eine Liste mit ungefähr hundert Verdächtigen gefunden. Hat der Werkschutz zum einen oder anderen noch Erkenntnisse, die nicht in den Bericht aufgenommen worden sind?«
    »Gut, daß Sie darauf zu sprechen kommen, Herr Selb«, sagte Danckelmann. Er stemmte sich von seinem Schreibtischsessel hoch, und als er auf mich zukam, sah ich, daß er hinkte. Er bemerkte meinen
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