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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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stellen sich wohl einige Fragen. Die erste: War Gabrieles
unverzügliche Verhaftung wirklich notwendig? Immerhin verstieß sie gegen das ungeschriebene
Gesetz, dass man sich im Vatikan auf die Religion stützt und keine Handschellen
braucht. Am Heiligen Stuhl ist noch nie ein Mitarbeiter oder leitender
Angestellter verhaftet worden. Im Gegenteil: Ausländische Untersuchungsrichter,
die den Staat der Vatikanstadt um die Festnahme eines seiner Bürger ersuchten,
stießen dort stets auf ein klares Nein. Erinnert sei an den Haftbefehl von 1987 gegen
Paul Casimir Marcinkus und einige Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem
Zusammenbruch des Banco Ambrosiano von Roberto Calvi, dem Bankier, der – mit
späteren Hinweisen auf ein Tötungsdelikt – unter der Londoner Blackfriars
Bridge erhängt aufgefunden worden war. Damals verwies der Heilige Stuhl auf das
Konkordat, den Staatskirchenvertrag zwischen Italien und dem Vatikan, wonach
Mitarbeiter zentraler Behörden gegenüber der italienischen Justiz eine Art
Superimmunität genössen. Die Polizei kam nur bis zur Porta Sant’Anna. Und noch
eine weitere Frage stellt sich: Wozu dient es, wenn man einen bislang
unbescholtenen und strenggläubigen Katholiken in Einzelhaft nimmt und von
seinen liebsten Angehörigen trennt? Gabriele, so hieß es, finde Trost im Gebet.
    Niemand verlangt für diese Inhaftierung Rechenschaft. Aber ist es
moralisch vertretbar, einen Mann fast zwei Monate in Isolationshaft zu halten,
nur weil er im Verdacht steht, Fotokopien an Journalisten weitergegeben zu
haben? Wäre dies in der Bundesrepublik Deutschland möglich? Könnte man, so es
einen gäbe, den Kammerdiener des Bundespräsidenten so einfach verhaften? In
Italien wäre dies unmöglich. Dort liegen die Hürden für eine Inhaftierung so
hoch, dass selbst mutmaßliche Diebe, die vorbestraft sind oder sogar auf
frischer Tat ertappt wurden, nicht einmal eine Nacht im Gefängnis verbringen
müssen. Auch wenn es um Unterlagen geht, die auf dem Schreibtisch des Papstes
gelegen hatten, wird Gabriele kein Verrat von Staatsgeheimnissen vorgeworfen.
Beschuldigt wird er vielmehr des Diebstahls in einem besonders schweren Fall.
    Das ist in einem anderen Zusammenhang wichtig: Als im Februar 2012
die ersten Dokumente an die Öffentlichkeit gelangten, veröffentlichte Pater
Lombardi im Radio Vatikan mit einem Paukenschlag eine Erklärung: »Die
amerikanische Regierung hat Wikileaks erlebt«, so verkündete er, »nun hat auch
der Vatikan seine ›Leaks‹, seine Lecks, durch die Dokumente an die
Öffentlichkeit kommen, die Verwirrung stiften und den Vatikan, die ›Regierung
der Kirche‹, aber im weiteren Sinn auch die Kirche selbst in ein schlechtes
Licht rücken sollen. Daher sind ruhiges Blut und ein gesunder Menschenverstand
gefragt.«
    Aufgrund des Vergleichs, den Pater Lombardi zwischen dieser
unerlaubten Weitergabe von Dokumenten und Wikileaks zog, wurde die Affäre
spontan »Vatileaks« getauft. Allerdings trennen den Inhalt dieses Buchs und Julian
Assanges Geheimpapiere Welten. Seine Heiligkeit ist
eine investigative Publikation, in der ich in vielen Jahren gesammelte
schriftliche Materialien verarbeitet habe. Eingeflossen sind zudem die
wichtigsten Ergebnisse von Gesprächen, die ich mit Dutzenden von Personen in
Europa, Lateinamerika und Ländern wie Syrien oder den Philippinen führte.
Dieses Buch baut auf unveröffentlichten Unterlagen aus vielfältigen Quellen,
auf Gesprächen und Nachforschungen in zahlreichen Archiven auf. Es geht nicht
um die Veröffentlichung Tausender hochgeheimer Dokumente im Internet,
deretwegen sich Assange verantworten soll, weil er damit angeblich die
Sicherheit der Vereinigten Staaten in Gefahr gebracht hat. In Seine Heiligkeit werden auch keine Militärgeheimnisse des Vatikans
verraten, schon deshalb nicht, weil es dort keine bedeutenden Waffensysteme
gibt. Stattdessen behandelt das Buch leidvolle Geschichten, Skandale,
Eigeninteressen, Seilschaften, Machtspiele und Korruption sowie versuchte und
erfolgreiche Einmischungen in die Politik und Wirtschaft von Ländern wie
Spanien, Italien oder Deutschland. Die gravierenden hier offengelegten Fakten
haben viele Reaktionen ausgelöst, die ausgewertet und nach Gruppen unterteilt
behandelt werden müssen.
    Gegen die italienische Originalfassung dieses Buchs wurde
vielfältige Kritik aus dem Vatikan laut. Mir wurde ein »krimineller Akt«
vorgeworfen, weil ich mit der Offenlegung delikater und streng
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