Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
gleichwie das Genie des Krieges jenes Heldengedicht
schrieb, welches das erste Kaiserreich ausmacht.
    Bei seiner Geburt durch den Geschützdonner begrüßt, der vom
Norden bis zum Süden die Erfolge unserer Waffen verkündete, hat der
König von Rom nicht einmal das Glück gehabt, seinem Vaterlande zu
dienen; so wollte es damals die Vorsehung.«
    »Was redet er da? er verwickelt sich!« murmelte der Zweifler La
Rouquette. Wie ungeschickt diese ganze Stelle! Er verdirbt seine
ganze Rede!«
    In der Tat wurden die Abgeordneten unruhig. Wozu diese
geschichtliche Erinnerung, die ihren Eifer lähmte? Einige
schneuzten sich. Doch der Berichterstatter, der die Kühle bemerkte,
die seine letzten Worte hervorgerufen hatten, lächelte nur. Mit
erhöhter Stimme, die Worte gegeneinander abwägend, seines Erfolges
sicher, führte er die Gegenüberstellung weiter aus: »Aber an einem jener feierlichen Tage zur Welt
gekommen, wo die Geburt eines einzelnen als das Heil aller gelten
muß, scheint das Kind von Frankreich heute uns wie den kommenden
Geschlechtern das Recht zu sichern, am väterlichen Herde zu leben
und zu sterben.«
    Das war eine köstliche Wendung. Alle Abgeordneten begriffen, und
ein Murmeln des Beifalls ging durch den Saal. Die Zusicherung eines
ewigen Friedens war in der Tat verlockend. Die Herren nahmen alle
beruhigt ihre entzückte Haltung von Staatsmännern wieder ein, die
sich einen literarischen Genuß gönnen. Sie. hatten ja die Muße
dazu: Europa gehörte ihrem Meister.
    »Der Kaiser, zum Schiedsrichter Europas erhoben,« fuhr der
Berichterstatter mit neuem Schwunge fort, »war im Begriffe, jenen
großmütigen Frieden zu unterzeichnen, der, die schöpferischen
Kräfte der Länder vereinigend, ein Bündnis der Völker ebensowohl
wie der Fürsten ist, als es Gott gefiel, seinem Glück zugleich mit
seinem Ruhme die Krone aufzusetzen. Darf man nicht mit Recht
annehmen, daß er fürder zahlreiche Jahre der Wohlfahrt voraussieht,
wenn er die Wiege betrachtet, in der, jetzt noch so klein, der Erbe
seiner großen Politik ruht?«
    Auch dieses Bild war sehr hübsch. Ohne Zweifel durfte man diesen
Glauben hegen; einige Abgeordnete bestätigten es durch leichtes
Nicken. Aber der Bericht wurde etwas lang; viele Kammermitglieder
wurden wieder ernst, mehrere blinzelten sogar nach den Tribünen hin
wie verständige Leute, die es langweilig fanden, ihre Politik so im
Schlafrock zu zeigen. Andere vergaßen sich soweit, mit trübem
Gesichte an ihre Angelegenheiten zu denken und von neuem mit den
Fingern auf ihrem Pulte zu trommeln, während sie in ihrem
Gedächtnisse ältere Sitzungen und ältere Ergebenheitskundgebungen
heraufbeschworen, die einer in der Wiege
liegenden Macht dargebracht wurden. Herr La Rouquette drehte sich
häufig um, nach der Uhr zu sehen; als der Zeiger dreiviertel auf
drei zeigte, nahm sein Gesicht einen ganz verzweifelten Ausdruck
an: er versäumte ein Stelldichein. Herr Kahn und Herr Béjuin
dagegen saßen regungslos nebeneinander mit gekreuzten Armen und
blinzelnd; ihre Augen schweiften von den grünen Samtfeldern zu dem
Marmor-Fries, von dem sich der schwarze Überrock des Präsidenten
abhob. Auf der Diplomatentribüne betrachtete die schöne Clorinde
wieder durch ihr Glas eingehend Rougon, der auf seiner Bank die
prächtige Haltung eines schlummernden Stieres bewahrte.
    Der Berichterstatter beeilte sich jedoch keineswegs, sondern las
für sich weiter mit einer abgemessenen und zufriedenen Bewegung der
Schultern:
    »Fassen wir denn ganzes und volles Vertrauen, und möge die
gesetzgebende Körperschaft bei dieser großen und feierlichen
Gelegenheit sich erinnern, daß sie gleichen Ursprunges ist wie der
Kaiser, was ihr fast noch ein verwandtschaftliches Anrecht mehr
gibt als den übrigen Körperschaften des Staates, die Freuden des
Herrschers zu teilen.«
    Gleich ihm aus dem freien Volkswillen hervorgegangen, wird also
die gesetzgebende Versammlung jetzt zur Stimme des Volkes selbst,
um dem erlauchten Kinde die Huldigung unveränderlicher Verehrung,
unerschütterlicher Ergebenheit und jener grenzenlosen Liebe
darzubringen, die aus dem politischen Glauben eine Religion macht,
deren Pflichten man segnet.«
    Davon Huldigung, Glauben und Pflichten die Rede war, mußte der
Bericht bald zu Ende gehen. Die Charbonnels wagten es, sich leise
ihre Meinung mitzuteilen, während Frau Gorreur in ihrem
Taschentuche einen leichten Husten; zu ersticken suchte. Frau
Bouchard begab sich vorsichtig in den
Hintergrund
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher