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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon
Autoren: Emile Zola
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die Hände und
lehnte sich lachend und laut mit ihrer Mutter plaudernd zurück,
ohne sich im mindesten um alle die Leute da unten zu kümmern, die
sie ansahen.
    Ehe Rougon die Wimpern wieder senkte, hatte er langsam die
Tribünen gemustert, und sein Blick hatte sogleich Frau Bouchard,
den Obersten Jobelin, Frau Correur und die Charbonnels getroffen;
aber der Ausdruck seines Gesichtes blieb nichtssagend. Er stützte
das Kinn wieder auf den Kragen, schloß die
Augen halb und unterdrückte ein leichtes Gähnen.
    »Ich werde doch ein Wort mit ihm reden!« hauchte Herr Kahn Herrn
Béjuin ins Ohr.
    Aber gerade wie er sich erhob, gab der Präsident, der sich eben
vergewissert hatte, daß alle Abgeordneten an ihren Plätzen saßen,
ein lautes Glockenzeichen, und sofort trat tiefe Stille ein.
    In der ersten Reihe stand ein Herr vor der gelben Marmorbank mit
einem großen Blatt Papier in der Hand, das er beim Sprechen sehr
aufmerksam betrachtete.
    »Ich habe die Ehre«, begann er mit singender Stimme, »einen
Bericht über den Gesetzentwurf vorzulegen, der dem
Staatsministerium auf Rechnung des Staatshaushaltes für 1856 einen
Kredit von 400 000 Franken eröffnet, um die Kosten der
Feierlichkeiten bei der Taufe des kaiserlichen Prinzen zu
bestreiten.
    Als er sich langsam zum Gehen anschickte, um den Bericht auf dem
Tische des Hauses niederzulegen, riefen alle Abgeordneten
einstimmig:
    »Lesen, lesen!«
    Der Berichterstatter wartete, bis der Präsident seine Zustimmung
gegeben, und begann dann mit bewegter Stimme:
    »Meine Herren, der uns vorgelegte Gesetzentwurf ist einer von
jenen, für welche die gewöhnliche Form der Abstimmung zu langsam
erscheint, insofern sie die Begeisterung der gesetzgebenden
Körperschaft hemmt.«
    »Sehr gut!« warfen verschiedene Mitglieder ein.
    »In den bescheidensten Hütten«, fuhr der Berichterstatter fort,
jedem Worte eine besondere Betonung gebend, »ist die Geburt eines
Sohnes, eines Erben, mit all den Gedanken der Überlieferung, die
sich daran knüpfen, eine Quelle so süßer Freude, daß die Prüfungen
der Vergangenheit schwinden und nur die
Hoffnung über der Wiege des Neugeborenen schwebt. Aber was soll man
von diesem häuslichen Feste sagen, wenn es zugleich von einem
ganzen Volke gefeiert wird und ein europäisches Ereignis ist?«
    Das Entzücken erreichte den höchsten Grad. Dieses Stück
Beredsamkeit überwältigte die Kammer. Rougon, der zu schlafen
schien, sah vor sich auf den Stufensitzen nichts als
freudestrahlende Gesichter. Einige Abgeordnete lauschten so
aufmerksam, daß sie die Hand ans Ohr legten, um nicht ein Wort
dieser rednerischen Leistung zu verlieren. Der Berichterstatter
fuhr nach kurzem Schweigen mit erhobener Stimme fort:
    »Hier, meine Herren, ist es in der Tat die große französische
Familie, die alle ihre Angehörigen einlädt, ihrer Freude Ausdruck
zu geben; und welcher Pracht bedürfte es nicht, wenn die Größe
ihrer berechtigten Hoffnungen eine entsprechende Äußerung finden
soll!«
    Neue Pause.
    »Sehr gut! sehr gut!« riefen dieselben Stimmen wie vorhin.
    »Schön gesagt!« bemerkte Herr Kahn. »Nicht wahr, Béjuin?«
    Dieser wiegte den Kopf, die Augen auf den Kronleuchter
gerichtet, der von dem Glasdache vor dem Präsidentensitze
herabhing. Er war ganz in den Genuß versunken.
    Auf den Tribünen verlor die schöne Clorinde mit dem Glase vor
den Augen keinen Zug vom Mienenspiele des Berichterstatters; den
Charbonnels waren die Augen feucht geworden; Frau Correur nahm die
aufmerksame Haltung einer Frau an, die da weiß, was sich schickt,
während der Oberst Beifall nickte und die hübsche Frau Bouchard
sich auf die Knie des Herrn d'Escorailles lehnte.
Inzwischen horchten der Präsident, die
Sekretäre und selbst die Hausbeamten feierlich, unbeweglich.
    »Die Wiege des kaiserlichen Prinzen«, nahm der Berichterstatter
wieder das Wort, »ist von jetzt an die Bürgschaft unserer Zukunft,
denn indem sie das Bestehen der Dynastie sichert, die wir alle mit
Freuden begrüßt haben, sichert sie das Gedeihen des Landes, seinen
Frieden und damit den des übrigen Europa.«
    Einige: Still! mußten die Begeisterung dämpfen, die sich bei
diesem rührenden Bilde der Wiege Luft machen wollte.
    »Zu einer andern Zeit schien ein Sproß dieses edlen Blutes
ebenfalls zu großen Schicksalen bestimmt, aber die Verhältnisse
unserer Tage gleichen, den damaligen nicht. Der Friede ist das
Ergebnis der weisen und weitblickenden Regierung, deren Früchte wir
jetzt genießen,
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