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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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und hat dann zur Budgetplanung gewechselt. Vor zwei Jahren ist er in Pension gegangen, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Ich glaube, der Grund war, dass er mit der Politik im Staat New York nicht einverstanden war.«
    »Womit genau?«
    »Glücksspiel.«
    Parker nickte. »Das ist es«, sagte er. »Was immer ihn aus der Bahn geworfen hat, die Sache mit dem Glücksspiel, das ist es.«
    »Du meinst, deswegen hat er die Seiten gewechselt?«
    »Ja, und zwar radikal.«
    Claire trank einen Schluck von ihrem Wein und sagte: »Vielleicht braucht er doch Geld. Ein mittlerer Beamter im öffentlichen Dienst, vorzeitig pensioniert, vielleicht ist es mühsamer, als er gedacht hat.«
    »Und seine Arbeit als Berater?«
    Claire schüttelte den Kopf. Sie schnitt Entenbrust auf und dachte nach, dann sagte sie: »Ich glaube nicht, dass da viel dabei rauskommt. Vor allem wohl deshalb, weil er verschiedenen Staatsregierungen vom Glücksspiel abrät, aber die sind alle dafür.«
    »Davon hat er mir erzählt«, sagte Parker. »Die Politiker sehen darin eine Art schmerzfreie Steuer.«
    »Keiner lässt sich gern von dir beraten«, sagte Claire, »wenn du ihnen immer nur von dem abrätst, was sie bereits beschlossen haben. Er bekommt fast nur Aufträge, bei denen es um die Mittelzuweisung für Massenverkehrsmittel, Straßen und Flughäfen geht. Ab und zu darf er mal für eine der Initiativen gegen Glücksspiel in einer Regierung recherchieren, aber das ist eher die Ausnahme.«
    Ein improvisierender Jazzpianist machte Hintergrundmusik, leise genug, dass man sich unterhalten konnte, aber immerhin so laut, dass niemand mithören konnte. Während die Kellnerin eine Zeitlang am Nebentisch mit dem Abräumen beschäftigt war, aß Parker nur sein Steak und trank von seinem Wein. Als sie gegangen war, sagte er: »Aber es geht ihm, glaube ich, nicht ums Geld. Bei der Sache mit mir, meine ich.«
    Claire nickte und sah ihn an.
    Parker dachte an sein Gespräch mit Cathman. »Ich hab jedenfalls nicht den Eindruck, dass Geld der springende Punkt ist. Das ist eine der Sachen, die nicht stimmig sind. Wenn er kein Geld will, was will er dann?«
    »Du kannst immer noch die Finger davon lassen«, sagte sie.
    »Könnte ich. Da ist einiges faul dran. Aber es ist Bargeld, und das will was heißen.«
    »Das Schiff ist noch nicht einmal da«, sagte Claire. »Du hast noch viel Zeit, dir Gewissheit über ihn zu verschaffen, mehr über ihn zu erfahren.«
    »Übernimm du das«, sagte Parker. »Jetzt sein Privatleben. Frau, Freundin, Kinder, was immer er hat. Menschen verbiegen einander; verbiegt irgend jemand Cathman?«
    »Das soll ich machen?«
    »Ja.«
    Claire nickte. »In Ordnung.« Sie aß ein paar Bissen, dann sagte sie: »Und was machst du?«
    »Den Fluss«, sagte Parker.

 
    NEUN
     
    Das Lokal hieß Lido, hätte aber nicht so heißen dürfen. Es war eine alte Bar, ein grauer Holzwürfel tief drinnen im Erdgeschoss eines schmalen Backsteinbaus aus dem neunzehnten Jahrhundert, und an diesem sonnigen Aprilnachmittag um zwei Uhr war es dadrin dunkel und trocken und roch nach altem Whiskey und totem Holz. Der kahle Barkeeper war groß und dick, wie ein pensionierter Cop, der sich vom ersten Tag seines Ruhestands an hatte gehenlassen. Er war in Hemdsärmeln. Am Tresen saßen neun oder zehn schäbig gekleidete Männer, die älter waren als ihre Zähne; sie unterhielten sich murmelnd über Sport und Politik – die Siege und Niederlagen anderer Leute.
    Ohne einen von ihnen anzusehen, setzte sich Parker auf einen Hocker an der Ecke des Tresens, die der Tür am nächsten war, und als der Barkeeper wie ein alter Bulle auf ihn zugetrottet kam, bestellte er ein Bier. Das Gemurmel am Tresen ebbte etwas ab, weil die Männer sich alle fragten, was dieser neue Gast zu bedeuten habe, doch Parker tat nichts Interessantes, und sie nahmen ihre Unterhaltung wieder auf.
    Parker zahlte sein Bier, trank es und ging wieder. Draußen kam ihm die Sonne um hundert Prozent heller vor. Blinzelnd ging er den halben Block bis zu dem Subaru, den er immer noch fuhr – kein Grund, es nicht zu tun, aber nach dem Job würde er ihn abstoßen, falls der Job überhaupt zustande kam –, und lehnte sich in der Sonne an den Kofferraum.
    Er war heute in Hudson, einer Stadt am gleichnamigen Fluss, weitere dreißig Kilometer nördlich und flussaufwärts von Rhinecliff, wo er sich auf dem Bahnhof mit Cathman getroffen hatte. Die Stadt zog sich vom Fluss einen sanft ansteigenden Hang hinauf, und die
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