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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G
Autoren: Håkan Nesser
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in einer Art zu Eis gefrorener Verwunderung anzustarren schienen.
    Und mit einer Art groteskem Lächeln. Blut und blutige Innereien waren aus dem Hals geflossen und bildeten nun eine dunkle Pfütze, die ihn in einer makabren Assoziation kurz an ein Dessert erinnerte, das er vor ein paar Wochen gemeinsam mit Mathilde im Fisherman’s Friend gegessen hatte.
    Schokoladensorbet auf Himbeerspiegel.
    Vielleicht hatte er sich deshalb übergeben müssen.
    Der Körper selbst befand sich zwei Meter weiter, gleich neben dem Spaten, und innerhalb weniger Sekunden verstand Bausen, wie es sich zugetragen haben musste.
    Wie Elizabeth Nolan geköpft worden war.
    Dann entdeckte er Van Veeteren.
    Der lag am entgegengesetzten Rand der Lichtung. Auf der linken Seite, die Knie ein wenig angezogen und Arme und Hände dicht an die Brust gedrückt. Fast in einer Art Fötusstellung. Er musste sich aus eigener Kraft ein Stück fortbewegt haben… mindestens zwei oder drei Schritte… wenn es denn so zugegangen war, wie Bausen vermutete. Und direkt neben Elizabeth Nolans ausgestreckter rechter Hand lag eine Pistole im Gras. Ja, das Szenarium war ziemlich offensichtlich.
    Gerade als er bei Van Veeteren angekommen war, tauchte Münster aus einer anderen Richtung auf.
    »Mein Gott«, stöhnte er und starrte Bausen an, der neben dem
Kommissar
auf die Knie ging. »Was ist denn…?«
    Bausen hob einen Finger als Zeichen, dass Münster still sein sollte. Er beugte sich noch näher zu dem unbeweglichen Körper hinunter und tastete vorsichtig mit den Händen über Hals und Kopf. Münster schloss die Augen und wartete. Hatte einen Augenblick lang das Gefühl, der Boden würde unter seinen Füßen beben, was ihn aber in keiner Weise verwunderte.
    Absolut nicht.
    Mein Gott, dachte er. Bitte sorge dafür, dass…
    »Er lebt!«, stieß Bausen aus. »Verdammt noch mal, er lebt!«
    Münster sank neben ihm auf die Knie. Bemerkte nicht, dass Beate Moerk und Rooth hinter ihm auftauchten, aber er registrierte, dass Van Veeteren die Augen öffnete und seine Lippen sich bewegten.
    »Er will etwas sagen.«
    Bausen zog seine Jacke aus und legte sie mit einer fast zärtlichen Geste über den
Hauptkommissar
. Dann beugte er sich ganz dicht zu dessen Gesicht hinunter und lauschte. Nach einigen Sekunden richtete er seinen Rücken wieder auf und schaute Münster an.
    »Was sagt er?«
    Bausen runzelte die Stirn.
    »Wenn ich es recht verstanden habe, dann hat er gesagt, dass ihm auf dem Rückweg fünfzehn Personen begegnet sind.«
    »Dass ihm…?«
    »Ja, frag mich nicht. Er behauptet, er sei einen Strand entlanggegangen und habe diese Menschen getroffen. Fünfzehn Stück. Aber das ist jetzt ja auch egal, ruf lieber einen Krankenwagen, ich denke, er ist in die Brust geschossen worden. Und liegt hier schon eine Weile. Hoffen wir nur, dass alles gut geht, denn viel Leben ist nicht mehr in ihm.«
    Münster kam auf die Beine, aber bevor er auch nur sein Handy herausgezogen hatte, hatte Inspektorin Moerk bereits die Unfallzentrale am Apparat.
    Er hob den Blick und hatte das Empfinden, dass der fast weiße Himmel ungewöhnlich nahe schien.

Er rief sie an ihrem zwanzigsten Geburtstag an, und eine Woche später trafen sie sich. An einem regennassen Oktoberabend mit Smog und gelbem Laub auf den Fußwegen. Sie unterhielten sich eine Stunde lang in einem Restaurant am Ku’damm, und als er sie verlassen hatte, konnte sie kaum glauben, dass es Realität gewesen sein sollte.
    Dass er nicht nur eine Figur aus einer traurigen Sage oder einem merkwürdigen Traum war, eine Art Nebelgestalt, der sie im klaren Tageslicht niemals Glauben schenken würde.
    Deine Mutter, hatte er gesagt, ich möchte mit dir über deine Mutter sprechen.
    Meine Mutter? Mami?
    Du hast sie Mami genannt?
    Mami, ja. Mami, die verschwunden ist. Die immer verschwunden war, seit…
    Ich weiß, sagte er. Aber du weißt nicht, was passiert ist, als sie verschwand, oder?
    Sie tranken roten Wein. Eine teure italienische Sorte. Bestellten auch etwas zu essen, aber sie brachte nichts runter. Bis auf ein paar Bissen, und ihm ging es genauso, sie wusste nicht, ob er sein Besteck nur hinlegte, um mit ihr solidarisch zu erscheinen, aber das war ja auch gleich.
    Wer bist du?, fragte sie. Warum…?
    Aber er schüttelte nur abwehrend den Kopf.
    Dann begann er zu erzählen. Langsam und umständlich, mit langen Pausen und nachdenklichem Nicken. Als wäre er gezwungen, sich an alles wieder zu erinnern, während er erzählte. Als wäre
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