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Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi

Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi

Titel: Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi
Autoren: Ulrike Renk
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auf der gegenüberliegenden Seite. Die beleuchtete Kirchturmuhr zeigte Sabine, dass es viel zu spät für eine Befragung war, doch Maria Goeken schien nicht müde zu sein. Sie setzte sich auf die cremefarbene Couch und stellte die Tassen auf den Glastisch davor. Dann deutete sie auf den Sessel vis-à-vis.
    »Setzen Sie sich doch.«
    Sabine nahm Platz und deutete auf das Panoramafenster. »Das war mal sehr modern, nicht wahr?«
    »Ja, allerdings ist der Blick auf die Straße nicht berauschend. Vor drei Jahren habe ich Spezialfenster einbauen lassen, jetzt hört man den Lärm kaum noch. Nach hinten raus ist es erstaunlich ruhig.«
    Sabine nickte. Die Frau wirkte gelassen.
    »Sie standen Ihrem Schwager nicht sehr nahe?«, fragte sie und nahm den Notizblock aus der Tasche.
    »Peter? Nein. Ihm stand niemand nahe. Er war ein Streithahn.«
    »Er war jähzornig?«
    »Jähzornig?« Maria Goeken zog die Stirn nachdenklich in Falten. »Das eigentlich weniger. Er war ein Erbsenzähler, ein Korinthenkacker – er hat jeden in seiner Umgebung verklagt.«
    »Weshalb?«
    »Wegen allem und nichts. Den einen Nachbarn, weil die Hecke zu hoch wuchs, den anderen, weil er zu oft gegrillt hat, den dritten, weil ihn der Hund ärgerte. Er fand immer Gründe. Sogar den Bäcker wollte er verklagen, weil ihm die Brötchen zu dunkel waren.« Maria Goeken machte eine wegwerfende Handbewegung. »Er hatte so einen Klagespleen.«
    »Dann sorgte er also regelmäßig für Streit?«
    »Ja, schon.«
    »Hatte er Feinde?«
    »Ist Peter tatsächlich ermordet worden?« Nun rutschte Frau Goeken etwas nach vorn. Sie wirkte eher neugierig als schockiert.
    »Das weiß ich noch nicht. Er wurde tot in seiner Gartenlaube gefunden, mit einer Kopfwunde. Aber die Rechtsmedizinerin konnte noch nicht eindeutig sagen, ob die Wunde tödlich war und woher sie stammt. Vielleicht ist er auch einfach nur gestolpert und unglücklich hingefallen.« Sabine musterte Frau Goeken. Diese lehnte sich wieder zurück. »Hatte er denn Feinde?«
    »Feinde? Ich weiß nicht, ich hatte kaum noch Kontakt mit ihm, nachdem der Erbschaftsstreit beigelegt war.«
    »Erbschaftsstreit?«
    »Nach dem Tod meines Mannes hat Peter mich verklagt. Er wollte mir das Erbe streitig machen.«
    Sabine nahm die Espressotasse und nippte daran, während sie überlegte, ob es pietätlos wäre, nach der Höhe des Erbes zu fragen.
    »Mein Mann hatte sein Elternhaus übernommen und Peter damals ausbezahlt. Nun habe ich das Haus geerbt, und Peter wollte seine Hälfte wiederhaben.«
    »Ist das rechtlich möglich?«
    »Nein, aber wir hatten erst ein Jahr vor dem Tod meines Mannes geheiratet, und Peter wollte Erbschleicherei glaubhaft machen. Da wir aber schon seit Jahren zusammengelebt hatten, hat das Gericht die Klage als gegenstandslos angesehen.« Sie lachte lautlos. »Ich habe ihm die Gartenlaube geschenkt, die wollte er nämlich auch haben, aber das reichte ihm nicht.«
    »Es war Ihre Laube?«
    »Die meiner Schwiegereltern. Wir haben sie nach ihrem Tod übernommen, Peter wollte sie damals nicht.«
    »Aber jetzt schon?«
    »Ich weiß nicht, ob er sich wirklich um den Garten gekümmert hat, ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen.«
    Der Garten, dachte Sabine, war sehr gepflegt und ordentlich, auch das Häuschen war sauber gewesen.
    »Was ist mit seiner Exfrau?«
    »Iris wohnt in Spaichingen, das ist in der Nähe von Stuttgart. Wir haben nur noch sporadisch Kontakt, an Feiertagen und so. Ich bin die Patentante der Tochter, aber Lena ist jetzt auch schon fast erwachsen. Früher hatten wir mehr Kontakt.«
    »Seit wann sind die beiden geschieden?«
    »Schon ewig. Lena war damals drei. Erst hat Iris noch in Krefeld gewohnt, aber Peter hat ihr immer aufgelauert, und dann ist sie weggezogen.«
    »Können Sie mir die Adresse und Telefonnummer geben?«
    »Natürlich.« Maria Goeken stand auf, sie bewegte sich anmutig und grazil, so als würde sie tanzen. Sie verließ den Raum und kam kurze Zeit später mit einem Zettel zurück.
    »Darf ich Iris anrufen und es ihr sagen?«
    »Natürlich. Wird es ein Schock sein?«
    »Eher Erleichterung. Sie hatte immer noch Angst vor ihm, auch nach all den Jahren und trotz der Entfernung.«
    »Angst? Ist er ihr gegenüber gewalttätig geworden?«
    »Nein, meistens nicht. Es war subtiler. Natürlich hat er sie ständig verklagt – Umgangsrecht, Kindeswohl, lauter Schwachsinn, aber lästig. Es war die Art, wie er trotz allem Präsenz gezeigt hat, die sie fürchtete. Sie hat immer gesagt:
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