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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927
Autoren: Willy Seidel
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gehört ihr; sie baut sich dort auf; sie spürt Genugtuung. Meine Aufmerksamkeit durch nochmaliges Aufschnupfen in ihre Richtung lenkend, spricht sie knarrend:
    »Brauchen S' wos, Herr Dokta?«
    »Nein, danke, Afra . . .«
    »Drum. – Weil S' net g'litten ham.« – Sie fühlt wohl, daß ihre Anwesenheit einer handfesteren Erklärung bedarf. Sie blickt listig auf und schnalzt an den Stockzähnen. »De zwoa san weg!«
    »Ja, ich habe sie eben fortgehen sehen.«
    »Ham S' as g'sehn? – So! – Muaß ma net grad nauslacha, wie de zwoa auftaggelt san . . .?«
    »Etwas eigenartig gekleidet, das stimmt.«
    »Dees moan i aa«, spricht sie kichernd. Sie ist bis zur Mitte des Zimmers gediehen. »Derf i mi hihocka zu Eana?«
    »Ja, bitte, Afra, nehmen Sie nur Platz.«
    »So. – Heunt ko s' mi net nausjag'n, weil s' net do is. – Jetz' ko i Eana was vazäh'n vom erschten Mo von der. – Ham S' des kloane Kammerl scho g'sehn, Herr Dokta? Des wo am Korridor draust is?«
    »Die kleine Rumpelkammer? Der Alkoven?«
    »Den moan i. – A halbs Johr is her, do hot a si drin affg'hängt.«
    »Aufgehängt . . .?«
    »Der Herr Bibescu. – Jawui. – Des hätt'n S' Eana net tramma loss'n, gelten S', Herr Dokta!« – Sie flüstert heiser und rutscht näher. »Wia–r–i nei-kimm zum Afframma, steht a hint' im Eck. ›Wia is jetz' dees,‹ sog i, ›Herr Bibescu? – Suchan S' wos?‹ sog i. Sogt a nixen un schaugt un schaugt, un i nix wia naus. – Wia s' an naustea ham, war a scho' blau. Un sie – de hot Eana an Deaader g'spuit, net zum Sag'n. G'schrian hot s' wia–r–a Rooß. Ganz Staad un hoamli is a herganga un hot si affg'hängt. Jetz' da schaung S', gelten S', Herr Dokta?« Sie kneift den Mund triumphierend zu, und ihre ausgebleichten Augen haben einen warmen Funken. Herr Bibescu tut ihr leid, sicherlich; aber die ganze schauerliche Tatsache wird von einer milden, unausrottbar soliden Schadenfreude überglänzt. Ich muß hinter den Grund kommen.
    »Ja, aber, Afra, das ist doch sehr tragisch!«
    »Für eam scho«, pflichtet die Sibylle bei. »Bal si oana affhängt, is scho dragisch für eam. Oba er hot scho g'wißt, wia–r–a si rächa ko; des Weibsbüld hot' an neig'hezt in Schuld'n und Schuld'n, grod grauslich, grod doß sie si Kleider kaffa ko un' Barrfengs vo Baris un' irene Liebhob'r imponir'n ko damit, un' mishond'lt hot s' ean un auszog'n aff's Hemmad, un grod nur zol'n hat'r derfa un' zuschaug'n, wia sie's triem hot . . . Jetz' nacha hot s' nixen mehr g'hobt, un aus d'r Wohnung hätt'n s' as aa 'nausschmeiß'n wuin, is oba net ganga, weil da Baron eig'sprungen is . . .
    Der Baron – wissen S', Herr Dokta – is aa–r–a Spiritist. An olter Oasiedl'r un' Jungg'sell, der zolt d' Mieten jetzat un'n Lämsund'rholt, sinst kinnten s' gornet egsesdir'n, de zwoa. Wos Sie selm zol'n, Herr Dokta, dees zol'n S' draaf, g'wiß wohr. Den ham de zwoa eig'fongt, un bol s' a Sizung ham, de zwoa, und'rholt er si aa mit'n Herrn Bibescu. Z'erscht« – das alte Wesen meckert – »ham sie si owoi zakriegt, oba jetzat san s' Spezeln . . .«
    Ich verfalle unwillkürlich in ihre Ausdrucksweise, und es entfährt mir in wasserklarem Hochdeutsch:
    »Ja, was wäre denn nachher jetzt dieses!«
    Ich schlage mir kopfschüttelnd aufs Knie, irgendwie angesteckt von der leeren Verschmitztheit, die in ihren ausgebleichten Augen lauert: angesteckt mit einer hoffnungslos übermächtigen Lust, nachzugeben und gegen mein besseres Selbst ein wenig zu meckern . . . »So, Herr Dokta,« spricht sie plötzlich salbungsvoll, gleichsam bekümmert über meine Frivolität . . . »jetz' muß i eihol'n . . . G'wiß wohr, gelten S', da schaug'n S', doß solchene Sach'n gibt . . . da derfat mo' scho' grod Obacht gäm, doß mo' koan Schad'n nimmt am Glaam . . . oba de glaam fest dro, doß'r no hier ischt als Geischt . . . do kunnt' m'r schier irr wer'n . . . Gelten S', Herr Dokta, Sie sag'n nixen zu dera Pason, doß i Eana wos vazält hob', wia des zugeganga–r–is, doß a si afig'hängt hot . . .« In ihrer Miene drückt sich plötzlich Unruhe und ein Schatten sklavischer Bestürzung aus; ihre Augen, milchigblau, drehen sich nach den dämmrigen Zimmerecken hin. – »I kunnt' mein Posten valier'n . . .«
    »Seien Sie ganz ruhig, Afra«, spreche ich mit wiedergewonnener Würde. »Ich lasse mir nichts anmerken.«
    »Is scho recht«, sagt sie und trollt ab, mit hölzernem Händeschwenken . . .
     
    In der Nacht, die diesem
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