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Sei lieb und büße - Thriller

Sei lieb und büße - Thriller

Titel: Sei lieb und büße - Thriller
Autoren: Loewe
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erwarten, dass er sich scheiden lässt und du endlich von mir wegkannst.«
    Die Hand ihrer Mutter umschließt das Glas, das vor ihr steht. Ben sitzt wie erstarrt. Sina hechtet nach links, reißt ihn vom Stuhl. Das Glas schießt an der Stelle vorbei, wo eben noch sein Kopf gewesen ist, und zerbirst auf den Fliesen. Sie hört den Wutschrei ihrer Mutter, hört, wie der Wasserkrug über den Tisch gezogen wird, und zerrt Ben aus der Küche. Mit Schwung schlägt sie die Tür hinter sich zu, als wäre sie ein Schutzschild, und hört keine Sekunde später das Krachen des Kruges, der daran zerschellt. Ben an der Hand, rennt sie zu ihrem Zimmer und schließt hinter sich ab.
    Sie setzt sich mit ihm in die hinterste Ecke ihres Betts und hält ihn in ihrem Arm, bis das Zittern seines Körpers nachlässt.
    4
    Sie brauchen keine Worte mehr, um einander zu trösten. Schweigend kauern sie auf Sinas Bett und lauschen dem Toben ihrer Mutter, dem Klirren des Geschirrs, dem Schlagen der Schranktüren. Sina wirft einen Softball an die Wand und beobachtet die Flugbahn, auf der der Ball zu ihr zurückfliegt wie ein Bumerang. Dann wählt sie die schmale Lücke zwischen Kleiderschrank und Bücherregal als neues Ziel aus. Trifft der Ball den Schrank, übertönt das Krachen der dünnen Sperrholzplatte den Lärm aus der Küche. Sina hofft, dass keiner der Nachbarn auf die Idee kommt, die Polizei zu rufen.
    Was in Berlin in der Anonymität der Großstadt untergegangen ist, würde hier Wellen schlagen. Sie wären Aussätzige in dieser geschleckten Neubausiedlung, in der selbst die Radständer aus Edelstahl sind. Wie damals in Neunburg. Man würde Ben und sie wieder mit mitleidigen Blicken bedenken. Sie meiden. Oder über sie tuscheln und Rückschlüsse ziehen, wo es keine zu ziehen gibt.
    Bipolare Störung. Manisch-depressive Mutter.
    Es haftet an Sina wie ein Tattoo, das sie zwar verbergen, aber nicht entfernen kann.
    Die Frau ist verrückt, sagen die einen, die ganze Familie ist verrückt. Die Frau ist krank, sagen die anderen.
    Du musst nett zu deiner Mutter sein, sagt die Krankenschwester. Wenn du sie ärgerst, wird sie noch kränker.
    Du bist auch gefährdet, sagt ihre Großmutter, die Krankheit wandert von Mutter zu Tochter.
    Du musst auf Ben aufpassen, sagt ihr Vater. Ich verlasse mich auf dich.
    Sina drückt Ben fester an sich. Wie soll sie nächstes Jahr ausziehen? Dann ist er elf. Zu klein, um sich selbst zu schützen. Sie blickt auf die Uhr. Zehn nach sieben. Wenn sie pünktlich bei Frederik sein will, muss sie in einer halben Stunde los. Bens Kopf lehnt an ihrer Schulter. Sie kann ihn nicht allein lassen. Selbst wenn ihre Mutter sich in einer halben Stunde beruhigt hätte. Selbst wenn sie ihren Vater anrufen und ihn bitten würde, zu kommen. Er würde es nicht rechtzeitig schaffen.
    Wenn er nur wieder jeden Abend zu Hause wäre. Wie früher. Dann wäre alles viel leichter. Er hätte ihre Mutter beruhigt und mit Ben noch eine Runde Quartett gespielt. Sina hätte weggehen können und alles wäre gut gewesen.
    »Ich weiß, dass du nicht mogeln wolltest«, sagt Ben in die Stille.
    »Ich hätte besser aufpassen müssen.«
    »Warum nimmt sie ihre Medizin nicht?« Ben richtet sich in ihrem Arm auf. »Papa sagt, wenn sie die Tabletten nimmt, ist alles gut. Ich wünschte, Papa wäre hier.«
    »Sie denkt, die Tabletten bringen sie um«, erklärt Sina. »Sie hat mir aufgezählt, was da alles drin ist. Aber frag mich jetzt nicht, was genau, ich hab das meiste nicht verstanden.«
    »Ich versteh auch nie was, wenn Mama Schemisch redet.«
    »Über Chemie redet. Aber sie ist wirklich gut darin. Nur will sie keiner einstellen mit dieser Krankheit, weil sie Angst haben, dass sie wieder ein Labor kaputt macht.« Sina steht auf.
    »Gehst du jetzt?«, fragt Ben und seine Stimme ist so dünn wie das Rinnsal eines ausgetrockneten Bachbetts.
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich schreib nur eine SMS.«
    »Danke«, sagt Ben. »Du wolltest Frederik treffen, stimmt’s?«
    Sina nickt.
    »Ich weiß von Adrian, dass Tabea das Referat über den Sturm schon mit Laureen gemacht hat – die findet er nämlich total toll.«
    »Adrian?« Sina lacht laut auf. »Etwas jung, oder?«
    »Deswegen kann er trotzdem verknallt sein«, antwortet Ben und verzieht beleidigt das Gesicht.
    »Klar. Aber sie würde ihn nicht mal dann anschauen, wenn er so alt wäre wie sie. Nach dem Abi zieht Laureen nach New York und angelt sich dort einen aus der High Society. Behauptet sie
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