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Sei lieb und büße - Thriller

Sei lieb und büße - Thriller

Titel: Sei lieb und büße - Thriller
Autoren: Loewe
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wissen und Sina ergänzt still die Frage, die unausgesprochen in der Luft liegt: Kannst du dich mit ihr anfreunden?
    »Sie ist ganz okay, aber die zwei Tussen, mit denen sie abhängt, sind ziemlich daneben.« Sie führt die Gabel mit den Hackfleischresten zum Mund.
    »Und jetzt macht ihr ein gemeinsames Referat? In welchem Fach?«
    Wieder spürt Sina den prüfenden Blick ihrer Mutter. Ihre Hände werden feucht. Sie wischt sie an ihrer Jeans ab. Konzentrier dich! Bleib locker!
    »Deutsch. Über die Dichter der Sturm-und-Drang-Zeit. Total ätzend.« Sturm und Drang. Das ist gut. Ihre Mutter hasst Literatur.
    »Da würde mir auch der Appetit vergehen. Ich weiß gar nicht, warum die euch mit diesem Unsinn quälen müssen.« Ihre Mutter nimmt Bens leeren Teller, stellt ihn auf ihren und erhebt sich. »Aber du spielst noch eine Runde Karten mit uns, nicht? Ich habe es Ben versprochen.«
    Ben wetzt mit seinem Hintern erwartungsvoll über den Stuhl, während Sina zur großen Uhr über der Küchentür linst. Der Sprung im Glas erschwert es, die Zeit zu erkennen, wenn der Zeiger sich der vollen Stunde nähert. Viertel vor sechs, genug Zeit für ein Spiel und die wichtigsten Hausaufgaben, um bis acht bei Frederik zu sein. Besonders schick machen kann sie sich ohnehin nicht, ohne den Argwohn ihrer Mutter zu wecken.
    »Klar.« Sie knufft Ben spielerisch in den Arm. »Wehe, du mogelst. Und hör endlich auf, den Stuhl zu polieren.«
    Ihren Teller und die Auflaufform in der Hand, geht sie zur Spüle. Während ihre Mutter die Maschine einräumt, fährt Sina mit einem Lappen über die dunkle Granitplatte der neuen Einbauküche und den von sechs Schwingstühlen umgebenen Glastisch. Sie vermisst die gemütliche Eckbank der Berliner Küche, die bunten, verschlissenen Kissen, auf denen Ben und sie so viele Nachmittage herumgelümmelt und gebastelt und Hörspiele angehört haben. Nur ihre Mutter fühlt sich in der neuen Küche wohler. Keine Schnörkel. Kein Nippes auf den Fensterbrettern. Kein pflegeintensives Holz, das noch nach Jahren von einer Krankheit zeugt, deren Spuren man nicht einfach mit einem Putzlappen wegwischen kann.
    »Fertig!« Ben wirft seine letzte Karte auf den Tisch. »Gewonnen! Wie-hie-der gewo-hon-nen!« Sein Gesicht strahlt mit den weißen Lackfronten der Küchenschränke um die Wette.
    »Scheint heute dein Glückstag zu sein!« Sina grinst und schiebt ihre Karten zugedeckt in den Stapel. Wie einfach es ist, ein Spiel zu manipulieren, wenn man nicht gewinnen will. Sie sammelt die restlichen Karten ein, mischt und teilt aus. Frederik. Sie verkneift sich einen Glücksseufzer.
    »Letzte Runde. Ich muss noch Hausaufgaben machen, bevor ich zu Tabea gehe.«
    »Schade. Es ist gerade so nett.« Ihre Mutter nimmt die Karten auf und prüft sie.
    »Wir können doch morgen weiterspielen.« Sina vertieft sich in ihr Blatt. Es ist grottenschlecht. Bens konzentrierter Gesichtsausdruck dagegen verrät, dass er gute Karten hat. Seine Zunge klebt an der Oberlippe, als sei sie auf dem Weg zur Nase dort hängen geblieben, seine Augen wandern unaufhörlich von links nach rechts und wieder zurück. Sina lächelt. Niemand sonst ist so leicht zu durchschauen.
    »Du mogelst!« Ihre Mutter knallt die Karten auf die Glasplatte. »Du hast dir eine Karte weniger gegeben. Es ist immer das Gleiche mit dir! Wenn du zu etwas keine Lust hast, musst du es den anderen auch verderben!«
    Sina zählt in Windeseile ihre Karten nach. Ihre Mutter hat recht.
    »Entschuldige. Das war keine Absicht.« Sie greift zum Stoß, um eine weitere Karte zu ziehen, doch ihre Mutter ist schneller. Sie umklammert die Karten und zieht sie zu sich.
    »Natürlich war das Absicht! Mogeln, lügen, betrügen! Wie dein Vater! Du bist genauso verlogen wie er.«
    Sina sieht zu Ben. Das Grinsen erstarrt in seinem Gesicht, die Augen sind vor Schreck weit geöffnet. Aus den Augenwinkeln registriert sie die Hand ihrer Mutter. Sie duckt sich, spürt, wie die Karten sie am Kopf streifen, flüchtig und hart wie der Zweig eines Baums, dem sie nicht ausweichen kann, hört, wie die Karten hinter ihr an die Wand prallen und zu Boden rieseln.
    »Ihr steckt doch alle unter einer Decke!« Da ist sie. Die schrille Stimme. »Du und Ben und euer Vater. Als ob ich nicht wüsste, dass er sich mit dieser Schnepfe herumtreibt. Vier Tage die Woche unterwegs! Na, was bekommt ihr für euer Schweigen? Was hat er dir versprochen, Ben? Kennst du seine Neue schon? Du kannst es wahrscheinlich gar nicht
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