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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe
Autoren: P Mennen
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Jella folgte ihm. Dieses Mal genoss sie den Ausflug noch viel mehr. Mit leiser Erregung dachte sie an ihren ersten Besuch. Hier hatte sie zum ersten Mal erfahren, was wirkliche Liebe ist. Interessiert betrachtete sie die Felsmalereien der Buschmänner an den Felswänden. Dieses Mal kamen sie ihr gar nicht so fremd und unverständlich vor. Auf der einen Seite des schmalen Felsdurchgangs waren Jäger auf die glatte Felswand gemalt. Sie hatten ihre Waffen erhoben und zielten damit auf die Tiere, die sich auf der gegenüberliegenden Felswand befanden. Giraffen, Elefanten, Antilopen und sogar Nashörner lagen von Pfeilen getroffen wild durcheinander. Sie waren alle tot. Dann kam eine größere, leere Fläche, in der eine menschenähnliche Gestalt stand. Jella betrachtete sie genauer. Sie war viel größer und würdevoller als die Jäger. Der Kopf glich einem mächtigen Löwen, während sein Körper wie der eines Menschen aussah. Mit hoch erhobenen Armen und weit aufgerissenem Schlund schien er dem unmäßigen Töten ein Ende bereiten zu wollen. Der letzte Abschnitt der Felsmalereien zeigte die Jäger zusammen mit den Tieren. Nur wenige Tiere waren hier von Pfeilen getroffen, und jedes Tier wurde von den Jägern durch ein Gebet in den Tod begleitet.
    »›Buschmanns Paradies‹«, staunte Jella. »Der Löwenmensch muss Kauha sein, der große Geist, der über das Schicksal der Menschen wacht. Die Malereien sollen die Buschmänner immer daran erinnern, die Natur zu achten; nur dann bleibt das Gleichgewicht erhalten.«
    Mit jedem Schritt, den sie sich dem kleinen von Felsen umgebenen Tal näherten, spürte Jella mehr von der Kraft, die von diesem Ort ausging. Der Legende nach trafen hier Gut und Böse, Tod und Leben, Menschen und Geister aufeinander und fanden ihren Frieden. Ein paar Zebras standen unweit von ihnen entfernt und grasten. Die Anwesenheit von Menschen
schien sie nicht weiter zu stören. Jella kam es vor, als wären hier die grausamen Gesetze der Natur von Fressen und Gefressenwerden außer Kraft gesetzt. Fritz band die Pferde an, während sie die mitgebrachte Picknickdecke ausbreitete und den Korb daraufstellte. Mit einem wohligen Seufzen ließ sie sich auf der Decke nieder. Nancy und Imelda hatten sich selbst übertroffen. Sie hatten ihnen Salate, gebratenes Fleisch, Obst und Kuchen eingepackt, dazu Wein, Gläser, Teller und Besteck.
    »Beeil dich«, drängte Jella. »Ich komme schier um vor Hunger!«
    Gierig schnappte sie sich ein Stück von dem kalten Braten und biss herzhaft hinein. Seit sie schwanger war, hatte sie unbändige Lust auf Fleisch. Fritz zog sie deswegen auf.
    »Du wirst noch einen kleinen Löwen zur Welt bringen«, meinte er scherzhaft.
    »Und wenn schon!«, konterte sie gut gelaunt. »Immer noch besser als eine Spinne!«
    Nach dem Essen fühlte sich Jella schläfrig. Sie legte sich in den Schatten eines Mopanebaums und schloss die Augen. Fritz stützte sich neben ihr auf seinen Ellenbogen und beobachtete seine Frau voller Zärtlichkeit.
    Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sie nun ein Ehepaar waren. Noch vor wenigen Wochen hatte alles ganz anders ausgesehen. Jella hatte ihn zurückgewiesen und ihm keinerlei Hoffnungen mehr gemacht. Etwas Unbekanntes hatte zwischen ihnen gestanden, und es war ihm nicht gelungen, herauszufinden, was es war. Doch dann hatte sie plötzlich in Okakarara gestanden und ihm von ihrem gemeinsamen Kind erzählt, das hier in »Buschmanns Paradies« entstanden war. Sie war wie ausgewechselt gewesen. Wie gern würde er sie besser verstehen!
    Als hätte Jella seine Gedanken erraten, begann sie plötzlich zu reden. Ohne sich umzudrehen, erzählte sie ihre Geschichte.
    »Bis zu dem Tag, an dem wir unfreiwillig hier unsere erste
Nacht verbracht haben, habe ich nicht geglaubt, dass ich jemals einem Mann würde vertrauen können.« Sie schluckte; offensichtlich machte ihr die Erinnerung an ihre Erlebnisse immer noch Angst. Ihre Stimme wurde rauer, als sie weitersprach.
    »Nach dem Tod meiner Mutter in Berlin musste ich für mich selbst aufkommen«, sagte sie. »Ich hatte einen väterlichen Freund. Er war Künstler und der beste Mensch, den ich in Berlin kannte. Heinrich Zille war sein Name. Er nahm mich unter seine Fittiche und besorgte mir eine Arbeit in einer Destille. Das Bedienen der Kunden war immer noch besser als die Näharbeiten. Aber das Geld war knapp, und ich wollte unbedingt studieren. Dazu brauchte ich noch mehr Geld. Eines Tages boten mir ein paar Männer,
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