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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit
Autoren: Karl Schroeder
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zerstörten Wand aus buntem Glas erhob. Antaea sah sich um, entdeckte Darius, der langsam, einen Finger im Ohr, die Halle betrat, und rannte weiter.
    Die Schüsse hörten unvermittelt auf. Als Antaea das Podest erreichte, hatten ihre Männer davor einen Halbkreis gebildet. Oben standen nur noch zwei Männer aufrecht. Der eine war der Pilot. Er hatte einen Arm um Chaison Fannings Kehle gelegt und drückte dem Admiral mit der anderen Hand eine Pistole an die Schläfe.
    Â»Ich weiß, wohin das führt«, rief Sempeterna über das Rauschen des Windes hinweg. »Ihre Leute werden vielleicht die Stadt erobern, Chaison, aber Sie werden es nicht mehr erleben.«
    Der Pilot schob seine Geisel auf ein großes Loch in der Glaswand zu. Hier war durch den Sog ein schräger Wirbel entstanden. Wenn er sich umdrehte und sprang, würde er in den Luftraum der Stadt fallen und wäre verschwunden, bevor jemand das Fenster erreichen konnte. Antaea wusste, dass er Chaison im Sprung töten würde, doch obwohl sechzehn Gewehre auf den Piloten gerichtet waren, hatte keiner der Männer freies Schussfeld.
    Chaison hob den Kopf, sein Blick begegnete dem ihren. Er verzog das Gesicht zu einem resignierten Lächeln. Angst schien er nicht zu spüren, er wirkte nur müde.
    Die beiden Männer hatten die Lücke im Fenster fast erreicht. Chaison stemmte die Absätze in den Boden, um seinen Entführer aus dem Gleichgewicht zu bringen,
aber Sempeterna blieb auf den Beinen. Er warf einen Blick zum Fenster, wohl um abzuschätzen, ob er für einen Sprung schon nahe genug war. Antaea blieb das Herz stehen, und der Atem stockte ihr. Sie streckte unwillkürlich die Hand aus.
    Dann fiel mit einem lautlosen Donnerschlag Sonnenlicht auf die Szene. Der Pilot zuckte zusammen und taumelte zurück.
    Antaea drehte sich um, hob die Hand und sah, dass Richard Reiss das Gleiche tat. An der sechzig Meter entfernten vorderen Wand der Halle fiel ein weißer Lichtschein durch die Fenster, und in seiner Mitte erstrahlte unglaublich hell ein winziger Punkt.
    Â»Eine Sonne!«, rief eine Stimme. »Eine neue Sonne!« Alle erstarrten in geradezu abergläubischer Furcht. Eine Sonne war eine Maschine, gewiss, und natürlich konnte man sie bauen – aber einige der wichtigsten Teile konnte nur Candesce liefern. Eine Sonne war nicht mehr als ein Licht – aber in Virga kündete ein solch lautloser, brodelnder Glanz da, wo eben noch das tiefe Blau des unbewohnten Winters geherrscht hatte, die Geburt neuer Nationen an.
    Antaea hörte ein Geräusch hinter sich. Sie fuhr herum und hob ihre Pistole. Genau in diesem Moment befreite sich Chaison aus Sempeternas Griff und warf sich zu Boden. Der Pilot stand wie erstarrt und starrte verdutzt auf das strahlende Auge, das sich am Rand von Slipstreams Territorium geöffnet hatte. Dann krachte ein einzelner Schuss.
    Der Kopf des Piloten wurde nach hinten gerissen. Er sackte gegen eine grün-goldene Scheibe, glitt daran nach unten und blieb zusammengesunken liegen.

    Ehe Chaison auf die Beine kommen konnte, war Antaea bei ihm. Sie zog ihn hoch, schlang leidenschaftlich die Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Er lachte leise und sagte »Na, na!«, als wäre sie es, die vor wenigen Sekunden beinahe gestorben wäre.
    Antaea löste sich gerade so weit, dass sie sich umsehen konnte. Einige Flieger der Admiralität starrten sie und Chaison an – andere schauten nach oben.
    Ein Schatten fiel durch das Licht der Doppelsonne, als jemand von der Galeriebrüstung sprang. Die Gestalt breitete riesige Schwingen aus und landete elegant nur wenige Schritte entfernt.
    Die Schwingen waren schwarz wie Krähenflügel; die Frau trug schwarze Lederhosen und eine Jacke aus rotem Brokat. Sie hatte ein apartes Gesicht und dichtes schwarzes Haar. Das Einzige, was die makellose Symmetrie der gebräunten Züge störte, war eine weiße Narbe am Kinn.
    Sie hielt ein rauchendes Gewehr in den Händen.
    Â»Wie ich sehe, haben Sie meinen Mann bereits kennengelernt«, sagte sie.
    Â 
    Chaison hatte nur noch Augen für sie. Venera wirkte etwas mitgenommen, aber sie war am Leben und allem Anschein nach bei blühender Gesundheit. Ihr Haar war sorgfältig frisiert, die Kleidung makellos wie immer, und an ihrem Hals funkelten kostbare Edelsteine – ein Geschmeide, das er kannte – sie hatten es gemeinsam aus Anetenes Schatz geraubt.
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