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Seepest

Seepest

Titel: Seepest
Autoren: Manfred Megerle
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der
außergewöhnlichen Anspannung während der Tagung ganz zu schweigen. Da war es
kein Wunder, dass der Körper seinen Tribut gefordert hatte und er vor einer
guten Stunde im Sitzen eingenickt war. Die Kollegen hatten ihn schlafen lassen.
Bei dem, was zu tun war, hätte er ihnen ohnehin nicht helfen können.
    Die Kommandanten der drei Feuerwehren waren
übereingekommen, die Mainau vorerst mit einer Ölsperre zu sichern – zweifellos
ein Kompromiss, mit dem man das Schlimmste so lange zu verhindern suchte, bis
die Lichtverhältnisse den Einsatz des Hubschraubers erlaubten. Die fieberhaft
arbeitenden Rettungskräfte hofften inständig, dass Wind und Strömung so lange
mitspielten.
    Da die beiden Polizeikreuzer nicht in die Errichtung
der Sperren eingebunden waren, hatte man die Taucher mitsamt ihrer technischen
Ausrüstung kurzerhand auf eines dieser Boote verbracht.
    Zwischenzeitlich hatte ein Sonargerät das gesunkene
Boot geortet – oder vielmehr das, was von ihm übrig war. Es lag in
vierundzwanzig Metern Tiefe auf dem Grund des Sees. Bereits beim ersten
Tauchgang wurden in dem Wrack die Leichen zweier Männer entdeckt, allerdings in
einer Weise zwischen Trümmerteilen eingeklemmt, dass ohne Schweißgerät nicht an
eine Bergung zu denken war.
    Die während des Tauchgangs gedrehten Videobilder
bestätigten, dass der Treibstofftank wie vermutet aufgerissen und der gesamte
Tankinhalt ausgelaufen war. Obwohl keine Schiffspapiere gefunden worden waren,
hatte die Wapo anhand des Jachtnamens den genauen Bootstyp und damit das
Fassungsvermögen des Tanks ermitteln können. Der Kahn war in der Lage gewesen,
vollgetankt dreihundertzwanzig Liter Dieselöl auf dem See spazieren zu fahren –
genug, um einen Ölteppich von vier bis sechs Quadratkilometern Ausdehnung zu
verursachen.
    Hinweise auf die Ursache der Explosion wurden zunächst
nicht gefunden. Was das anbelangte, würde Wolf sich bis zur Hebung des Wracks
gedulden müssen. Da wartete noch ein hartes Stück Arbeit auf ihn und sein Team,
schließlich hing von der Klärung der Schuldfrage eine Menge ab: als Erstes die
Anklageerhebung und der Prozess gegen die Verursacher der Explosion, sofern sie
sich ermitteln ließen; dann die langwierigen Auseinandersetzungen mit der
Versicherungsgesellschaft und den Anrainern und ganz zuletzt – so sicher wie
das Amen in der Kirche – immense Schadenersatzforderungen. Aber wenigstens
damit würde er nichts mehr zu tun haben.
    ***
    Es
war zum Heulen – wo hatte sie nur diese verdammte Nummer abgelegt? Seit
Matuscheks Freund sie wieder auf der Mainau abgesetzt hatte, durchwühlte Karin
ihr Telefonverzeichnis. Vergeblich! Hatte sie die Nummer vielleicht doch
gelöscht? Wenn ja, dann ganz bestimmt nicht aus Versehen. Wieso auch? Der Kerl
war eine einzige Enttäuschung gewesen, von jetzt auf nachher hatte sie die
Verbindung zu ihm abgebrochen. Nicht im Traum hätte sie sich vorstellen können,
dass ausgerechnet er – und nur er! – einmal zum Hoffnungsträger der ganzen
Bodenseeregion werden könnte. Die Vorstellung wäre ihr ebenso absurd erschienen
wie die Möglichkeit eines die Mainau bedrohenden Ölteppichs.
    Man sieht sich eben immer zweimal im Leben, dachte
Karin säuerlich.
    Ein gutes halbes Jahr lag die Sache nun zurück. Sie
hatte für einen Artikel über heimische Unternehmen recherchiert, unter denen
die Biotecc  AG zweifellos eine
Spitzenstellung einnahm. Mit über achthundert Beschäftigten zählte das
börsennotierte Unternehmen zu den renommiertesten Betrieben am westlichen
Bodensee. Das weitläufige Werksgelände lag direkt am Seeufer, halbwegs in der
Mitte zwischen Überlingen und Nußdorf – ein Witz, wenn man es recht bedachte.
Was hätte sich aus dem Riesenareal nicht alles machen lassen! Doch damals,
gleich nach Kriegsende, als Erich Rottmann in einem Schuppen neben dem
elterlichen Wohnhaus seine ersten Versuche unternahm, galten andere
Prioritäten. Und heute? Wie ein Krake hatte sich die Biotecc  AG am Seeufer ausgebreitet, nichts hatte ihr
ungezügeltes Wachstum zu bremsen vermocht. Längst galt Rottmanns Firma als
Vorzeigebetrieb, der zeitweilig sogar die Baseler Chemieriesen das Fürchten
lehrte.
    Gleich zu Beginn ihrer Recherchen war sie an die
Firmenleitung herangetreten und hatte eine Einladung zur Werksbesichtigung
erhalten. Ohne den geringsten Vorbehalt – abgesehen von einem
Fotografierverbot, wofür Karin jedoch Verständnis gezeigt hatte. Einer der
Direktoren hatte sie durch die Labors und
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