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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos
Autoren: D Koontz
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von mir befand. Vielleicht wurde ich dadurch zu Fay Wray; jedenfalls schien der große Affe eine unnatürliche Leidenschaft für mich zu haben.
    Meine Beine waren abgerutscht. Ich spürte, wie André nach meinem Schuh grapschte. Wütend trat ich nach seiner Hand, dann zog ich gleich wieder die Beine an.
    Im selben Augenblick fiel mir ein, dass Daturas Pistole hinten in meinem Gürtel steckte. Ich tastete mit der Hand danach, aber da war nichts mehr. Ich hatte das Ding unterwegs verloren.
    Während ich nach der nicht vorhandenen Waffe tastete, gelang es meinem Gegner offenbar, sich hochzustemmen. Er packte mich am linken Knöchel.
    Ich zappelte und zerrte, aber er hielt fest. Er ging sogar aufs Ganze, indem er den Pfosten losließ und sich mit beiden Händen an mein Bein klammerte.

    Andrés Gewicht zog so erbarmungslos an mir, dass sich fast meine Hüfte ausrenkte. Ich hörte einen Schrei voll Schmerz und Wut, aber erst als er sich wiederholte, merkte ich, dass er von mir stammte.
    Die Kugel an der Spitze des Pfostens war nicht aus dessen Holz herausgeschnitzt. Man hatte sie separat gedrechselt und angeschraubt.
    Sie löste sich in meiner Hand.
    Gemeinsam fielen André und ich in den Strom.

59
    Im Fallen entglitt ich dem Koloss.
    Ich kam so hart auf dem Wasser auf, dass ich erst einmal unterging und den Grund berührte. Die machtvolle Strömung wirbelte mich herum, bis ich hustend und keuchend an die Oberfläche kam.
    Cheval André, der Stier, der Hengst, trieb direkt vor mir, etwa fünf Meter weit entfernt. So sehr er auch versuchte, auf mich zuzuschwimmen, er kam nicht gegen die Strömung an und verpasste so das Rendezvous mit dem Tod, nach dem er sich offenkundig sehnte.
    Seine wilde Wut, sein brodelnder Hass und seine Gier nach Gewalt waren so stark, dass er bereit war, bis zur Erschöpfung zu kämpfen, um sich zu rächen. Dass er ertrinken würde, nachdem er mich ertränkt hatte, war ihm anscheinend egal.
    Eine gewisse erotische Anziehungskraft hatte Datura ja besessen, das musste ich zugeben. Davon einmal abgesehen, war mir völlig schleierhaft, was einen Mann dazu bewegen konnte, sich ihr so völlig zu verschreiben, besonders wenn es sich um einen Mann handelte, der keinerlei Hang zu Sentimentalität zu haben schien. War dieser brutale Klotz so fasziniert von Daturas Schönheit gewesen, dass er dafür zu sterben bereit war, obwohl diese Schönheit nur oberflächlich gewesen war und die Persönlichkeit darunter wahnsinnig, egozentrisch und manipulativ?

    Nun war er – ebenso wie ich – ein Spielball der Flut, die uns drehte, anhob und untertauchte, während sie uns mit beträchtlicher Geschwindigkeit durch den Kanal trieb. Manchmal kamen wir uns bis auf zwei Meter nahe, nie waren wir mehr als sechs voneinander entfernt.
    Wir kamen an dem Ort vorbei, an dem ich morgens das Kanalsystem betreten hatte, und trieben weiter.
    Erschrocken fiel mir ein, dass der Tunnel in dieser Richtung womöglich irgendwann nicht mehr erleuchtet war. Blind in den unterirdischen See zu stürzen, fürchtete ich inzwischen weniger, als André nicht mehr im Blick zu haben. Wenn es wenigstens mein Schicksal war zu ertrinken, dann wollte ich das nun in der Strömung tun. Von Andrés Händen wollte ich nicht sterben.
    Das Licht blieb erhalten, aber dafür ragte vor uns ein eisernes, zweiflügliges Tor auf, das den gesamten Tunnel versperrte. Mit seinen waagrechten und senkrechten Stäben sah es wie ein mittelalterliches Fallgitter aus.
    Die Zwischenräume dieses Gitters waren gerade einmal zehn Quadratzentimeter groß. Offenbar diente es als letzter Filter für das angeschwemmte Treibgut.
    Ich spürte, dass die Strömung deutlich zugenommen hatte. Nicht weit von hier musste ein Wasserfall kommen und dahinter der See. Zu sehen war nichts, denn jenseits des Gitters war es stockfinster.
    Als Erster trieb André an das Tor. Wenige Sekunden später prallte auch ich dagegen, zwei Meter rechts von ihm.
    Kaum war er angekommen, griff er auch schon über das am Fuß des Tores angeschwemmte Treibgut und zog sich hoch.
    Betäubt wäre ich gern einfach unten hängen geblieben, um mich auszuruhen, aber da ich wusste, dass er mich dort nicht in Frieden lassen würde, kletterte auch ich über den Müll und am
Tor hoch. Einen Moment lang hingen wir dort regungslos wie eine Spinne und ihre Beute im Netz.
    Dann fing er an, sich seitwärts am Gitter entlangzuhangeln. Er schien nicht halb so schnell zu atmen wie ich.
    Am liebsten hätte ich mich
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