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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge
Autoren: Peter F. Hamilton
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sagen, bevor Genevieve sich am ersten Bolzen zu schaffen machte. Das Pferd in der Box raste in den Mittelgang hinaus, der sich durch den gesamten Stall zog.
    Louise rannte zum anderen Ende des Gebäudes, und Merlin sprang hysterisch bellend hinterher. Der Brand hatte inzwischen das lockere Stroh in den Futtertrögen erfaßt. Orangefarbene Funken stoben durch den Stall wie Regen in einem Hurrikan. Dichte Rauchschwaden sammelten sich unter der Decke.
    Die Stimmen von draußen riefen erneut; Befehle und Versprechungen, die ganz sicher nicht ernst gemeint waren. Verrat allerorten.
    Dann mischten sich Schreie in den allgemeinen Lärm. Quinns Eleven hatten zwangsläufig die Oberhand gewonnen und standen nun im Begriff, die wenigen verbliebenen freien Hausangestellten und Diener in die Enge zu treiben und für die Possession vorzubereiten. Sie machten sich nicht mehr die geringste Mühe, ihr Tun zu verbergen.
    Louise war bei der Box am Ende des Stalls angekommen, in der Vaters wunderbarer schwarzer Hengst stand, Abkömmling einer Blutlinie, die genetisch bis zur Perfektion verbessert worden war. Ein Tier, von dem die Pferdewetter des zwanzigsten Jahrhunderts nur träumen konnten. Der Bolzen glitt ganz leicht zur Seite, und Louise packte das Zaumzeug, bevor der Hengst eine Chance hatte, in den Mittelgang zu entkommen. Er schnaubte wütend, doch dann ließ er sich von ihr beruhigen. Louise mußte auf einen Strohballen klettern, um auf das Tier zu steigen.
    Das Feuer hatte sich mit irrsinniger Geschwindigkeit ausgebreitet. Mehrere Boxen brannten bereits, und aus den kräftigen alten Balken schossen schweflige Flammen. Merlin wich angstvoll bellend zurück. Mehr als ein halbes Dutzend Tiere rannte in Panik im Mittelgang auf und ab und wieherte drängend. Flammen hatten ihnen den Weg nach draußen versperrt, und das lärmende Inferno zwang sie immer weiter weg vom Ausgang. Louise suchte nach ihrer Schwester. Genevieve war nirgends zu sehen.
    »Wo steckst du?« rief sie. »Gen!«
    »Hier! Ich bin hier!« Die Stimme kam aus einer leeren Box.
    Louise drängte den Hengst durch den Mittelgang nach vorn und schrie wild auf die panischen Pferde ein, die ihr im Weg standen. Zwei stiegen auf die Hinterhand und wieherten angstvoll wegen der neuen Gefahr aus einer unerwarteten Richtung. Dann setzten sich alle Tiere in Richtung der Flammen in Bewegung.
    »Schnell!« rief Louise.
    Genevieve sah ihre Chance und rannte in den Gang hinaus. Louise beugte sich zur Seite und packte ihre kleine Schwester. Im ersten Augenblick meinte sie, sich im Gewicht der Jüngeren verschätzt zu haben, denn sie drohte vom Pferd zu fallen. Doch dann packte Genevieve die Mähne des Hengstes, was ein lautes protestierendes Wiehern hervorrief. Gerade als Louise meinte, entweder müsse ihr Rückgrat brechen oder sie der Länge nach auf den gepflasterten Boden krachen, wuchtete sich Genevieve in die Höhe und kam rittlings direkt hinter dem Hals des Hengstes zu sitzen.
    Die Stalltüren waren von dem unheimlich heißen Feuer fast verzehrt, und nur noch wenige verkohlte Reste hingen in den rotglühenden Angeln. Sie knisterten und knackten, dann fielen sie mit lautem Krachen auf die Pflastersteine.
    Die Pferde witterten ihre Chance und rannten los. Louise grub die Fersen in die Flanken ihres Hengstes, und das Tier schoß los. Sie spürte die berauschende Geschwindigkeit, doch dann leckten gelbe Flammenspitzen über ihren linken Arm und ihr Bein, und sie schrie schmerzerfüllt auf. Vor ihr kreischte Genevieve und schlug hektisch auf ihre schwelende Bluse ein. Der Gestank von verbranntem Haar stieg Louise in die Nase. Dünne Rauchschleier hingen bis auf Augenhöhe herab und trieben ihr die Tränen ins Gesicht.
    Dann waren sie draußen, hindurch durch den offenen Eingang mit seinem Kranz aus winzigen Flammen, die an dem zerstörten Rahmen leckten, und jagten hinter den anderen Pferden her. Frische Luft und eine niedrig stehende Sonne empfingen sie. Der stämmige Ritter in seiner dunklen Mosaikrüstung stand vor ihnen. Noch immer quoll heller orangefarbener Rauch aus den Visierschlitzen seines Helms. An den Fingerspitzen seiner erhobenen Panzerhandschuhe tanzte weißes Feuer. Er deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Louise und ihre Schwester, und die Flammen sammelten sich.
    Doch das Rudel durchgehender Pferde ließ sich nicht von der einzelnen Gestalt aufhalten. Das erste Tier raste nur wenige Zoll von ihm entfernt vorbei. Ihm schien bewußt zu werden, welche Gefahr
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