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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge
Autoren: Peter F. Hamilton
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neben Rachel anstelle ihres Vaters eine riesige humanoide Gestalt in einer fremdartigen Helmrüstung. Es war eine merkwürdige Panzerung, ganz aus kleinen Metallplatten gefertigt, die mit Messingdrähten zusammengehalten wurden. Auf den Platten waren purpurne Runen eingraviert. »Miststück!« donnerte die Gestalt die vor Angst bebende Mrs. Chalsworth an. Dichter orangefarbener Rauch quoll aus den Visierschlitzen des Helms.
    Rachel Handleys Arme schienen mit einem Mal weiß zu glühen. Sie umklammerte Mrs. Chalsworths Wangen mit den Fingern und entblößte vor Anstrengung die Zähne, als sie zudrückte. Haut zischte und knisterte unter ihren Fingerspitzen. Mrs. Chalsworth wimmerte vor Schmerzen. Die Magd ließ von ihr ab, und Mrs. Chalsworth fiel hintenüber. Sie drehte den Kopf in Louises Richtung und lächelte, während Tränen über ihre Wangen liefen. »Lauft«, formten ihre Lippen.
    Ihr gequältes Flehen schien direkt in Louises Nervensystem zu gehen. Louise drückte sich mit den Schultern an der Wand hoch.
    Mrs. Chalsworth lächelte freudlos, als die Magd und der mächtige Ritter sich gegen sie wandten, um ihre Rache zu vervollständigen. Sie hob die erbärmliche Stricknadel erneut.
    Streifen aus weißem Feuer wanden sich um Rachels Arme, während sie ihr Opfer angrinste. Kleine Kugeln des Feuers tropften von ihren Fingerspitzen, flogen waagerecht auf die verzweifelte Nanny zu und fraßen sich begierig durch das gestärkte graue Gouvernantenkostüm.
    Das dröhnende Lachen des Riesen in seiner klirrenden Rüstung vermischte sich mit Mrs. Chalsworths erstickten Schmerzensschreien.
    Louise schob den Arm unter Genevieves Achselhöhle hindurch und riß sie mit sich. Lichtblitze und die Geräusche von Mrs. Chalsworths Folter erfüllten den Korridor hinter den Flüchtenden.
    Ich darf mich nicht umdrehen. Ich darf mich auf keinen Fall umdrehen.
    Louises tastende Finger fanden die Klinke der verborgenen Tür, und sie schwang lautlos auf. Sie stieß Genevieve durch die Öffnung in das Dämmerlicht dahinter, ohne nachzusehen, ob vielleicht jemand anderes auf der Treppe war.
    Die Tür glitt zu.
    »Gen? Gen!« Louise schüttelte die versteinerte Genevieve. »Gen, wir müssen von hier verschwinden!« Genevieve reagierte nicht. »Lieber Gott im Himmel!« Der Drang, sich ganz eng zusammenzurollen und zu weinen wurde immer übermächtiger.
    Wenn ich das tue, werde ich sterben. Und das Baby mit mir.
    Sie packte Genevieves Hand fester und eilte mit ihrer jüngeren Schwester im Schlepptau die Treppe hinunter. Wenigstens laufen konnte Genevieve. Louise hoffte inbrünstig, daß sie unterwegs nicht noch einer dieser … Kreaturen begegneten.
    Sie hatten eben den kleinen Vorraum am unteren Ende der Wendeltreppe erreicht, als oben ein lautes Hämmern erklang. Louise rannte los, durch den Korridor in Richtung des Vorratsraums. Genevieve stolperte neben ihr her, und über ihre Lippen drang ein leises Wimmern.
    Das Hämmern hörte auf, und dann erklang eine heftige Explosion. Blaue Statik zuckte über das Eisen der Wendeltreppe und entlud sich im Boden. Die roten Ziegelsteine bebten und brachen. Die unregelmäßig flackernden Glühlampen an der Decke brannten mit einem Mal wieder hell.
    »Schneller, Gen!« rief Louise.
    Sie rannten in den Vorratsraum und durch die grüne Tür, die auf den Hof hinausführte. Merlin stand im weit geöffneten Tor zu den Stallungen und bellte unablässig. Louise rannte direkt auf ihn zu. Falls es ihnen gelang, ein Pferd zu erwischen, waren sie gerettet. Louise ritt besser als irgendein Mann auf dem gesamten Gut.
    Sie befanden sich noch fünf Meter vom Stall entfernt, als zwei Gestalten aus dem Lagerraum auf den Hof rannten. Es waren Rachel und ihr Vater. Nur, daß es nicht wirklich Daddy ist, dachte Louise verzweifelt.
    »Komm zurück, Louise!« rief der dunkle Ritter. »Nun komm schon, meine Kleine! Daddy möchte gedrückt werden!«
    Louise und Genevieve rannten durch das Tor. Merlin starrte noch eine Sekunde auf den Hof, dann machte er rasch kehrt und folgte den beiden Schwestern.
    Kugeln aus weißem Feuer krachten in die Stalltüren und zerplatzten in komplexen Mustern, die sich mit der Hartnäckigkeit eines hungrigen Ghouls in das Holz fraßen. Die glänzende schwarze Farbe warf Blasen und verdampfte, und die Balken fingen Feuer.
    »Mach alle Türen auf!« befahl Louise über das Brüllen des auflodernden Brandes und das Wiehern der verängstigten, scheuenden Pferde hinweg. Sie mußte es ein zweites Mal
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