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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer
Autoren: Barbara Wood
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Augenbraue hoch. »Deine Mutter?«
    »Sie ist eine Heilk-kundige.«
    Andreas blieb einen Moment nachdenklich. Dann erinnerte er sich der wieder aufgebrochenen Wunde des verletzten Teppichhändlers, trat zum Bett, nahm den blutgetränkten Verband ab und ging daran, die Wunde zu versorgen. Als er fertig war, nahm er eine rostige Speerspitze und schabte mit einem Messer den Rost ab, so daß er auf die Wunde fiel. »Der Rost beschleunigt die Heilung«, erklärte er, als er Selenes fragenden Blick bemerkte. »Es ist bekannt, daß in Kupfer- und Eisenbergwerken die Geschwüre von Sklaven rascher heilen als anderswo. Warum das so ist, weiß allerdings niemand.« Er umwickelte den Kopf des Teppichhändlers mit einem frischen Verband, ließ ihn sachte auf die Kopfstütze hinunter und wandte sich dann wieder Selene zu. »Sag mir, was du getan hast, um ihn zur Ruhe zu bringen. Wie hast du es gemacht?«
    Von neuerlicher Schüchternheit überkommen, blickte Selene zu Boden. »I-ich habe g-gar nichts getan«, antwortete sie. »Ich habe n-nur s-seine En-en –« Sie ballte die Hände zu Fäusten, »seine Energien aus ihrer Ververwirrung geleitet.«
    »Und das bringt Heilung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es h-heilt n-nicht. Es h-hilft nur.«
    »Wirkt es immer?«
    »Nein.«
    »Aber wie«, drängte er.
»Wie
hast du es gemacht?«
    Selene hielt die Lider immer noch gesenkt. »Es ist ein a-altes Ver-verfahren. M-man s-sieht eine Flamme.«
    Andreas betrachtete sie aufmerksam. Sie war schön. Ein Bild trat ihm vor die Augen, die Erinnerung an eine seltene Blume, die er einmal gesehen hatte und die den Namen Hibiskus trug. Selene hatte wohlgestaltete Gesichtszüge, und das Schönste war ihr Mund. Welch grausame Ironie, dachte er, daß dieser gefällige Mund seiner Aufgabe nur so unzulänglich gerecht werden kann. Sie war nicht zungenlahm, das konnte er sehen, wenn sie sprach.
    Als von dem Teppichhändler plötzlich ein lautes Schnarchen kam, lächelte Andreas und sagte: »Deine Flamme besitzt Zauberkraft, scheint mir.«
    Selene hob zaghaft den Blick und sah, wie das Lächeln sein Gesicht veränderte. Er sah plötzlich viel jünger aus.
    Der Sprachfehler, dachte Andreas, war möglicherweise auf einen Geburtsdefekt zurückzuführen, der in der Kindheit korrigiert worden war, aber wohl erst spät und ohne nachfolgenden Sprechunterricht. Andreas konnte sich vorstellen, wie sehr das Mädchen unter dieser Unzulänglichkeit gelitten haben mußte. Sie war ein wahrhaft schönes Mädchen, doch sie war scheu bis zur Ängstlichkeit.
    Ein Schatten flog über Andreas’ Gesicht, und die steile Falte zwischen den Brauen verdüsterte wieder seine Züge. Was geht es mich an? fragte er sich, da er schon vor Jahren den Punkt erreicht hatte, wo nichts ihm mehr naheging.
    Ein Windhauch wehte durch das Fenster und blähte die feinen Vorhänge. Im heißen Atem des Sommers mischten sich die Düfte von Holzfeuern und blühenden Blumen mit dem Geruch des grünen Flusses, der sich dem Meer entgegenwälzte. Der Wind fuhr seufzend durch das Haus des Arztes Andreas und riß den Griechen aus seinen Gedanken.
    »Du brauchst Hilfe, um deinen Freund fortzubringen«, sagte er und winkte Malachus. »Mein Sklave wird dir helfen.«
    Selene warf ihm einen verständnislosen Blick zu.
    »Ich nehme an, du möchtest ihn nach Hause bringen«, fügte Andreas hinzu.
    »N-n-nach Hause?«
    »Ja. Zu seiner Gesundung. Was hattest du dir denn vorgestellt?«
    Selene war verwirrt. »I-ich weiß n-nicht. Ich w-weiß nicht, w-wer er ist.«
    Andreas war verblüfft. »Du kennst den Mann gar nicht?«
    »Ich g-ging g-gerade über d-den M-m –« Selene drückte erschrocken eine Hand auf den Mund. »Mein Korb!«
    »Willst du mir sagen, daß du den Mann gar nicht kennst? Warum hast du dann um Hilfe gerufen?«
    »Mein Korb!« rief sie wieder. »Unser l-letztes G-geld … die M-medizin …«
    Jetzt kam doch Ungeduld in seine Stimme. »Wenn du diesen Mann nicht kennst – und ich kenne ihn ganz gewiß nicht –, warum sind wir dann hier? Und warum habe ich ihn behandelt?«
    Selene warf einen Blick zu dem Schlafenden hinüber. »E-er war ververletzt.«
    »Er war verletzt«, wiederholte Andreas ungläubig und sah die Belustigung seines Sklaven. Sein Gesicht wurde noch finsterer. »Einen ganzen Nachmittag an einen Fremden verschenkt«, murmelte er. »Was soll ich nun mit ihm anfangen?«
    Selene antwortete nicht.
    Andreas’ Ungeduld schlug in Gereiztheit um. »Du hast erwartet, daß ich ihn hier
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