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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer
Autoren: Barbara Wood
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vom Bett stürzte, wurde aber immer wieder von den fuchtelnden Armen zurückgestoßen. Der Kopf des Mannes hämmerte in heftigem Auf und Nieder auf die Kopfstütze, so daß die Wunde aufbrach und unter dem Verband zu bluten begann. Ein befremdliches Knurren drang aus dem Mund des Mannes, die Sehnen an seinem Hals standen in dicken Strängen hervor.
    Endlich kam Malachus mit einem Sklaven von riesenhaftem Wuchs zurück, und zu dritt schafften es die Männer, die Arme und Beine des Patienten an das Bett zu fesseln. Doch selbst dann ließ der Anfall nicht nach. Während der Tobende sich unter seinen Fesseln aufbäumte, krachten seine Glieder, als wollten sie jeden Moment brechen.
    »Dagegen können wir nichts tun«, bemerkte Andreas bedrückt. »Er wird sich umbringen.«
    Selene starrte ihn an, flüchtig trafen sich ihre Blicke, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Tobenden. Eine Möglichkeit gab es noch …
    Ohne ein Wort trat sie an das Krankenbett. Sie schloß die Augen und beschwor vor ihrem inneren Auge ein Bild herauf – das Bild einer ruhig und stetig brennenden goldgelben Flamme. Mit allen Sinnen gab sie sich der Vision der stetig brennenden Flamme hin, bis sie ihre Wärme zu fühlen begann und ihr sachtes Knistern hören konnte. Während sie sich auf die Flamme konzentrierte, die ihren Ursprung in der Tiefe ihrer Seele hatte, verlangsamte Selene ihren Atem und entspannte ihren Körper. Es war ein Vorgang, der ihr Stunden zu dauern schien, tatsächlich aber in Sekunden ablief – das Sammeln all ihrer Kräfte im Feuer dieser Flamme.
    Für die Beobachter, Andreas und seine beiden Sklaven, sah es aus, als wäre sie in Schlaf gesunken. Ihr Gesicht verriet nichts von ihrer inneren Konzentration, nichts von dem, was in ihr vorging, die Bündelung der in ihr wachsenden Kräfte nämlich. Verwundert sahen sie zu, wie das Mädchen, ruhig und gleichmäßig atmend, langsam die Hände hob, um sie direkt über den zuckenden Körper des Verletzten zu halten. Die Innenflächen abwärts gekehrt, schwebten die Hände dicht über dem Mann, ohne ihn zu berühren, und begannen sich zu bewegen, in kleinen Kreisen zuerst, die allmählich immer größer wurden, bis sie den Körper des Kranken in seiner ganzen Länge überspielten.
    Selene sah nur die Flamme, und nichts als die Flamme. Geradeso, wie Andreas all seine Verstandeskräfte auf die Operation gerichtet hatte, ließ Selene nun all ihre Lebensenergien in das Bild der Flamme einströmen. Und als sie mit ihr Verbindung bekam, floß die Wärme der Flamme aus ihrer Seele heraus in ihre Arme und durch ihre Hände und hüllte den rastlosen Körper des Verletzten ein.
    Andreas beobachtete neugierig die leicht schwankende Gestalt des Mädchens. Er musterte das Gesicht – die hohen Wangenknochen, den volllippigen Mund –, das Augenblicke zuvor Scheu und Befangenheit gezeigt hatte, jetzt aber in einer ruhigen Heiterkeit leuchtete. Sie hielt die Hände über den Kranken, bis der gemarterte Körper sich langsam zu entspannen begann, ruhiger wurde und schließlich von Schlaf umfangen wurde.
    Selene öffnete die Augen und blinzelte wie im Erwachen.
    Andreas runzelte die Stirn. »Was hast du getan?«
    Ihre Scheu war zurückgekehrt, und sie vermied es, ihn anzusehen. Sie war es nicht gewöhnt, mit Fremden zu sprechen. Sie reagierten mit Befremden, wenn sie so unbeholfene Rede aus ihrem wohlgeformten Mund vernahmen; und nach dem Befremden kam immer die Ungeduld, dann die Verachtung, die besagte, eine Schwachsinnige. Eigentlich, sagte sich Selene oft, hätte sie nach den langen Jahren grausamer Neckereien von ihren Altersgenossen und ständigen Nichtbeachtetwerdens an den Marktständen dagegen gefeit sein müssen. Ihre Mutter hatte ihr erklärt, der Defekt, die Zungenlahmheit, die ihr angeboren und die später korrigiert worden war, sei ein Zeichen dafür, daß die Götter sie liebten.
    Zu Selenes Verwunderung zeigte das schöne Gesicht des griechischen Arztes keine der üblichen Reaktionen. Sie zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, die streng und gütig zugleich waren, und glaubte eine tiefe Menschlichkeit in ihnen zu sehen.
    »I-ich habe ihm d-den Weg in d-den Sch-schlaf gezeigt«, sagte sie.
    »Wie?«
    Selene sprach ganz langsam. Es bereitete ihr Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen; sie brauchte Zeit, und daher kam es, daß ihre Gesprächspartner im allgemeinen ihre Sätze für sie vollendeten.
    »D-das hat m-meine Mutter m-mich gelehrt.«
    Andreas zog eine
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