Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst
Autoren: Veit Etzold
Vom Netzwerk:
dachte Gayo noch einmal. Sei’s drum, er würde darüber nachdenken.
    »Überleg dir, wie viele. Am besten erst mal zwei, ein Junge und ein Mädchen«, fuhr Tom fort. »Das gibt du nächsten Freitag auf der Gala bekannt. Und bei der Show am Samstag erzählst du es so oft, bis die Leute denken, du hättest die Repeat-Taste verschluckt.«
    Gayo verdrehte die Augen. Ich kann es kaum erwarten.
    Tom redete unverdrossen weiter. »In unserer aufgeplusterten Mediengesellschaft reicht es halt nicht mehr, den Leuten nur auf die Schulter zu tippen. Man muss einen Vorschlaghammer nehmen, nur dann hat man Aufmerksamkeit.«
    »Ich denke darüber nach«, sagte Gayo.
    »Was ist eigentlich mit deiner Sekretärin, dieser Susi oder wie sie heißt?«, fragte Tom. »Ich wollte heute ein paar Termine mit ihr klären, aber sie war nie zu erreichen.«
    Gayos Miene verfinsterte sich. »Keine Ahnung. Ist nicht gekommen und hat sich auch nicht abgemeldet. Wird schon nichts Ernstes sein.«
    »Es kann was Ernstes werden«, sagte Tom. »Einer meiner Informanten von der Luftfahrtbehörde hat mir ein sehr bedenkliches Dokument zugestellt. Da stehen Sachen drin, die eigentlich niemand wissen sollte.«
    Gayo spürte, wie ihm heiß wurde. »Über uns?«
    »Über uns«, bestätigte Tom. »Wenn davon etwas an die Öffentlichkeit dringt, sind wir so tot wie frittierte Hühnerärsche.«
    »Und was steht da drin?« Gayo nahm das Telefon an das andere Ohr.
    »Dass es in unserem Non Profit Business eine Sache gibt, die gar nicht existiert.«
    »Und welche?«
    »Das Non. «
    »Das heißt, man wirft uns vor, Gewinne zu machen?«
    »Exakt.«
    Gayo schwieg nachdenklich. Diese Vorwürfe bekam er häufiger zu hören. Wer etwas Gutes für die Allgemeinheit tat, durfte damit kein Geld verdienen. Möglichst am Existenzminimum bleiben, als würde man auf diese Weise mit den Armen mitleiden und die Welt dadurch noch besser machen, als man es ohnehin schon tat.
    »Kann es sein, dass deine Sekretärin irgendetwas ausgetratscht hat?«, fragte Tom.
    »Nein«, antwortete Gayo, auf dessen Stirn sich eine Falte gebildet hatte. »Die weiß überhaupt nichts, und das wird auch so bleiben.«
    »Wenn sie am Montag ohne Abmeldung immer noch nicht da ist, fange ich an, mir Sorgen zu machen«, sagte Tom. »Und diese Susi sollte das dann auch tun. Undichte Stellen können wir uns nicht leisten. Dafür ist die Sache zu heiß.«
    »Hast recht«, sagte Gayo. »Checkst du das noch mal?« Sollte Tom sich darum kümmern, der war eh für das Mikromanagement zuständig. Gayo selbst war müde und wollte raus aus dem Büro. Er schaute auf seinen Tisch, wo die Faxkopie der Baufirma lag. Die würde am Wochenende, am Samstag, das Parkett abschleifen, aus Rücksicht auf die Mitarbeiter.
    »Mach ich«, sagte Tom. »Ich ruf dich dann später noch an.«
    »Sonst noch etwas?« Gayo war in Gedanken schon beim Rotwein im Bocca di Bacco gleich um die Ecke, wo er zum Abschluss der Woche eine kleine Stärkung zu sich nehmen wollte.
    »Ja. Was immer diese Susi getan hat, wir sollten in jedem Fall …«
    Toms Stimme brach jäh ab, als hätte jemand den Strom abgestellt. Doch die Lichter brannten noch. Am Strom konnte es also nicht liegen.
    Gayo legte auf, wählte noch einmal. Nichts.
    Er wartete, ob Tom ihn anrief. Doch das Telefon blieb stumm. Er lauschte in den Hörer. Nichts. Nicht mal ein Besetztzeichen.
    Er griff zu seinem Blackberry, scrollte durch das Adressbuch, wählte Toms Nummer. Wieder nichts.
    Seine Augen weiteten sich, als er das Zeichen auf seinem Blackberry sah: Kein Empfang. Das war völlig unmöglich. Er war hier im Herzen von Berlin, nicht in irgendeinem Kaff in Somalia.
    Er versuchte noch ein paar andere Nummern, bekam aber keinen Anschluss. Nicht einmal bis unten zum Empfang kam er durch, weder mit dem Blackberry, noch mit dem Festnetztelefon.
    Kein Empfang beim Empfang, alberte eine Stimme in seinem Kopf, aber er konnte nicht darüber lachen.
    Verdammt noch mal, dann eben nicht! Er steckte sein Black-Berry in die Aktentasche, nahm seinen Mantel und ging mit schnellen Schritten durch das Vorzimmer zur Tür.
    Erst als sie sich nicht öffnen ließ, wurde Franco Gayo bewusst, dass er Angst hatte.

5
    Don Tomasso Tremonte, Adlatus der Glaubenskongregation der römischen Kurie, überquerte mit eiligen Schritten die Piazza Navona. Ein wichtiger Termin mit einem Bischof aus Südamerika im Apostolischen Palast hatte länger gedauert als beabsichtigt. Die Vorlesung würde in fünf Minuten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher