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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer
Autoren: Manfred Megerle
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Figur …« Er grinste. Doch Jo hatte bereits ihr
Telefon in der Hand und blitzte ihn an: »Darauf erwarten Sie wohl nicht im
Ernst eine Antwort, oder?«
    ***
    Wolfs
sah staunend über die in der Morgensonne glitzernde Wasserfläche bis zu den
waldreichen Höhen des Bodanrücks, hinter denen sich in der Ferne die
schneebedeckten Gipfel der Schweizer Zentralalpen im Dunst verloren. Er stand
am Fenster eines erlesen eingerichteten kleinen Besprechungsraumes, in den ihn
die Sekretärin des Klinikchefs vor einigen Minuten geführt hatte. Es machte ihm
nichts aus, warten zu müssen: Das gehörte zum Job. Oft wollten ihm seine
Gesprächspartner auf diese Weise signalisieren, dass sie über ein reines
Gewissen verfügten und die Staatsmacht keineswegs zu fürchten brauchten. Es war
eine Art Ritual zwischen ihm und seinen »Kunden«, das er insgeheim sogar
begrüßte, weil es den Beginn einer Unterredung entspannte und ihm so die Möglichkeit
eröffnete, seine Fragen im geeigneten Moment umso überraschender abzuschießen –
gewissermaßen aus dem Hinterhalt.
    Wolf wusste nicht, wie lange er die herbstlich bunte
Bodenseelandschaft in sich aufgesogen hatte, als die Tür aufging.
    »Ich bitte um Entschuldigung, aber Sie haben eine
ungünstige Zeit erwischt«, begrüßte ihn Weselowski in wohlklingendem Bariton,
der seine rheinländische Herkunft nicht verbarg. Trotz der Freundlichkeit des
Arztes glaubte Wolf, einen versteckten Vorwurf herauszuhören.
    » Ich muss mich
entschuldigen! So kurz vor der Mittagspause …«
    »Das ist es nicht. Patientengespräche, Sie verstehen.
Das Mittagessen fällt bei uns aus Zeitmangel sowieso meistens aus. Na ja …«,
lächelnd klopfte er sich auf den Bauch, »kann in unserem Alter ja nicht
schaden, was?«
    » Sie sind der Experte«,
lachte Wolf pflichtschuldigst mit. Mit einem kurzen Blick taxierte er den
Mediziner. Ein eindrucksvoller, rundum gut aussehender Mann, das musste ihm der
Neid lassen, etwa eins achtzig groß, drahtig, mit weißen Schläfen und ebensolchem
akkurat zurechtgestutztem Oberlippenbart. Die rechte Gesichtshälfte war durch
einen Schmiss leicht entstellt, was seine Wirkung bei Frauen vermutlich noch
erhöhte. Vor ihm stand das perfekte, fast schon klischeehafte Bild eines
arrivierten Arztes.
    »Kann es sein, dass wir uns schon mal begegnet sind?
Warten Sie … das muss im letzten Jahr gewesen sein … eine Fastnachtssitzung
hier in Überlingen. Ja, jetzt erinnere ich mich wieder.« Weselowski nickte wie
zur Bestätigung.
    »Eigentlich bin ich ein Faschingsmuffel, aber Sie
haben recht.«
    Der Arzt wurde ernst. »Würden Sie mir sagen, was ich
mit der Polizei zu schaffen habe? Man hat mich doch richtig informiert: Sie
sind von der Polizei, ja? Welche Dienststelle?«
    »Kripo Überlingen, mein Name ist Wolf. Keine Sorge,
ich habe nur eine einzige Frage an Sie.«
    »Das hör ich gerne.« Weselowski warf einen kurzen
Blick auf seine Armbanduhr. »Mein nächster Termin drängt, tut mir leid.«
    »Dann komme ich gleich zur Sache: Haben Sie in der
vergangenen Nacht über Ihr Handy die Notrufzentrale angerufen?«
    Weselowski schien ehrlich überrascht. »Die
Notrufzentrale? Ich? Wie käme ich dazu? Selbst wenn ich gewollt hätte, es wäre
gar nicht möglich gewesen. Mein Handy ist seit gestern verschwunden.«
    »Verschwunden? Was heißt das?«
    »Nun, verloren, geklaut, was weiß ich. Eben weg.«
    »Ich nehme an, Sie können weder den Zeitpunkt noch den
Ort genau benennen?«
    »So ist es. Ich war gestern Abend in Luzern, wir
hatten Theaterkarten. Anschließend noch ein paar Lokale, Sie wissen schon. Da
gibt es tausend Möglichkeiten, ein Handy loszuwerden.«
    »Wie lange haben Sie sich in Luzern aufgehalten?«
    » Sie nehmen’s aber genau!«
Weselowski tat pikiert. »Etwa bis Mitternacht. Ich war mit einem Freund dort,
Dr. Pohl aus Überlingen …«
    »Der Anwalt, richtig?«
    »Genau. Sie können ihn gerne befragen. Sonst noch
was?« Der Arzt erhob sich zum Zeichen, dass er die Unterredung für beendet
hielt.
    »Nein, das war’s schon. Nichts für ungut, Dr.
Weselowski, manchmal müssen wir uns mit Routinefragen ein bisschen unbeliebt
machen. Gehört leider zu unserem Job.« Wolf stand nun ebenfalls auf. »Sie haben
Ihre Handykarte doch sicher gleich sperren lassen?«
    »Leider nein, keine Zeit gehabt. Werde ich aber sofort
veranlassen«, antwortete Weselowski etwas von oben herab.
    Zwei Minuten später verließ Wolf die Bodan-Klinik
durch den Hauptausgang. Nachdenklich
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