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Second Face

Second Face

Titel: Second Face
Autoren: Carolin Philipps
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für die Ummanzen übrig hat, fühlt Marie sich zunehmend unwohl. Einerseits möchte sie ihre Zwillingsschwester nicht verraten, andererseits findet sie zumindest einige der Ummanzen ganz in Ordnung.
    Der mit der Igelfrisur geht in die zwölfte Klasse und heißt Tom.
    Er nutzt die erste Gelegenheit, als Anne wegen einer Erkältung nicht zur Schule fahren kann, und setzt sich im Bus neben Marie. »Schade, dass die Drama-Queen heute krank ist«, sagt er zur Begrüßung. »Ich habe extra ein modernes Hemd angezogen. Soll der neueste Trend in der großen, weiten Welt sein.« Dabei grinst er Marie so fröhlich an, dass sie ihm nicht böse sein kann.
    »Das hat sie nicht so gemeint«, versucht sie die Schwester zu entschuldigen.
    »Na, komm schon! Wir beide wissen, dass sie es genauso gemeint hat. Sie hasst Ummanz! Und irgendwo kann ich dassogar verstehen. Ich war zehn, als meine Mutter mit mir hierhergezogen ist. Es braucht ’ne Weile, bis man weiß, wo auf der Insel die Post abgeht.«
    Auf dem Schulhof verabschiedet Tom sich mit den Worten: »Ich wusste, dass du ohne deine Schwester gar nicht so übel bist. Leider ist die Drama-Queen nicht häufiger krank.«
    Marie sieht ihn empört an, obwohl er ja recht hat. Anne tut wirklich alles, damit man sie beide nicht ausstehen kann.
    Annes Stimmung ändert sich erst, als sie eines Tages am Strand auf den Campingplatz stoßen. Hier liegt auch die Surfschule, wo in einer Minute so viel Betrieb herrscht wie auf dem Rest der Insel im ganzen Jahr nicht. Behauptet jedenfalls Anne. Kaum hat sie das Gewimmel am Strand entdeckt, als sie Filou die Sporen gibt und sich begeistert ins Getümmel der lachenden Jugendlichen stürzt. Zum ersten Mal seit Wochen strahlt Anne, ihre Augen blitzen.
    Nicht nur die Eltern sind froh, dass Anne anfängt sich einzuleben. Auch Marie ist glücklich. Eine muffige Anne verdirbt allen die Stimmung.

5
    »Sind das beides deine Pferde?«
    Mit diesen Worten beginnen eines Freitagabends die bisher schönsten drei Tage in Maries Leben. Anne ist mal wieder alleine losgezogen, die Eltern haben Freunde zum Grillen eingeladen, Marie hat sich aus dem Haus geschlichen, um wie so oft in den letzten Wochen mit beiden Pferden an den Strand zu reiten.
    Nun sitzt sie im warmen Sand, die Pferde weiden friedlich auf dem Grasstreifen hinter ihr. Vor ihr taucht die Sonne wie ein feuriger Ball im Meer unter.
    Und dann ist da plötzlich dieser dunkle Kopf. Er tanzt auf und ab in den Wellen, treibt näher und näher an den Strand. Neben dem Kopf kommen Arme zum Vorschein, ein Oberkörper und schließlich der ganze Mensch. Er kommt aus dem Wasser, die Tropfen rinnen an seinem braun gebrannten Körper hinunter. Seine langen, schwarzen Haare kleben am Kopf.
    Er hat zunächst nur Augen für die Pferde, vor allem für Svantevit, Marie nur Augen für ihn. Wie ein wunderschöner Wassergeist steht er vor ihr, braune Algen haben sich um seine Fußgelenke gewickelt.
    Maries Bauch wird jedes Mal wieder kribbeln, wenn sie später an diese ersten Minuten denkt.
    »Beides deine Pferde?«, wiederholt er seine Frage.
    »Das weiße ist meins, der Haflinger gehört meiner Schwester.«
    Er streichelt Svantevit über den Rücken. Das Pferd schnaubt leise.
    »Nicht weglaufen! Bin gleich wieder da!«, sagt der jungeMann und verschwindet hinter der Düne, wo er offenbar seine Kleidung abgelegt hat. Kurze Zeit später ist er zurück und legt sich auf den Boden neben Marie, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
    Marie traut sich kaum zu atmen. Wenn Anne sie jetzt sehen könnte!
    Am Himmel, der noch immer von der Sonne leicht rosa eingefärbt ist, erscheinen die ersten Sterne.
    Schweigend liegen sie da und schauen nach oben in den Himmel, der immer dunkler wird und immer mehr Sterne zum Vorschein bringt.
    »Ich liebe die Sterne. Sie sind so friedlich da oben: Keiner streitet, keiner motzt rum, keiner prügelt sich. Ich liebe diesen Strandabschnitt!«
    »Hast du Probleme?«
    Der junge Mann lacht. »Nee, nicht wirklich. Eigentlich habe ich ja einen Traumjob. Ich arbeite da, wo andere Urlaub machen. Den ganzen Tag am Wasser. Sonne, Wind, was will man mehr?«
    »Eine Schüssel voll Sterne?«
    »Genau. Manchmal braucht man eine Schüssel voller Sterne. Ich arbeite drüben im Jugenddorf. Heute sind zwei neue Schulklassen gekommen. Der absolute Hammer. Nur Geschreie und Geschubse! Zum Glück hab ich freitags um zehn Schluss. Meine Kollegin muss sich noch die ganze Nacht um die Ohren schlagen, bis die nervigen
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