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Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi

Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi

Titel: Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi
Autoren: Sabine Hartmann
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Druck etwas, packte ihn an den Schultern, wirbelte ihn herum und drosch ihm die Faust auf die Nase. Die Laus schrie auf, wimmerte. Er konnte das warme Blut riechen, das ihm aus der Nase schoss. Genau richtig für eine Laus, die man mitleidlos zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetschen sollte.
    Er griff nach den Armen des Mannes und zerrte ihn in die Küche, drückte ihn dort auf einen Stuhl. Seine linke Hand fesselte er hinter der Lehne mit Kabelbindern am Stuhlbein fest. Schnell, effektiv und durchaus schmerzhaft, wenn er sich wehrte. Dann zog er sein Messer aus der Tasche, packte die rechte Hand des Bullen und nagelte sie mit der Klinge auf dem Tisch fest. Die Laus jaulte laut. Er stutzte. Konnten Läuse überhaupt Geräusche von sich geben? Vielleicht sollte er ihm lieber die Zunge abschneiden?
    Bleib bei deinem Plan. Wer anfängt zu improvisieren, hat schon so gut wie verloren.
    Er zückte die Taschenlampe, richtete den schmalen Strahl in das Gesicht des Bullen. Der zuckte zurück. Er ließ sich nicht beirren. Langsam wanderte der Lichtschein von der Schulter aus den Arm hinunter bis zur Hand, verweilte auf dem Messer, das mitten im Handrücken steckte.
    Ein dunkler Tropfen Blut quoll heraus und rollte langsam über die Haut. Wortlos ließ er das Licht zum Daumen wandern, verharrte, kroch zum Zeigefinger, blieb stehen, beleuchtete den Mittelfinger in seiner ganzen Länge. Am Ringfinger glitzerte ein goldener Verlobungsring. Er spürte, wie die Laus zu zittern begann, wie sie begriff.
    Bevor er die Lampe auf den kleinen Finger richtete, zischte er: „Such dir einen aus. Welchen möchtest du mir schenken?“
    Die Laus gurgelte etwas Unverständliches. Abrupt bewegte er das Licht auf sein Gesicht. Der Kerl schwitzte, Blut verkrustete Nase und Mund, er zerrte an der anderen Hand, wollte ihn damit abwehren. Die Augen erst weit aufgerissen, dann zugekniffen, sobald das Licht sie traf. Er senkte die Lampe. Er wollte, dass die kleine Laus zusah, dass sich der Anblick in ihr Gedächtnis einbrannte, für immer. Dass das Geräusch sich in seinen Gehörgängen einnistete, dass der Geruch von Blut, von seinem eigenen Blut, ihm in die Nase stieg, sobald er sich zum Frühstücken an seinen Küchentisch setzte.
    Er wiederholte die Reise der Taschenlampe, blendete die Laus zwischendurch. Jedes Scheinwerferpaar, das nachts auf der Straße auf ihn zuschwenkte, würde Flashbacks auslösen, lange Jahre. Er musste grinsen. Gleichzeitig spürte er, dass die Anspannung im Körper der Laus nachzulassen begann. Er musste weitermachen, zum Ende kommen. Durfte dem anderen keine Zeit zum Nachdenken lassen.
    Er zog das zweite Messer, sein Messer, heraus, klappte es auf. „Spreiz die Finger.“
    Als die Laus nicht reagierte, stach er ihm in den Zeigfinger. Die Laus stöhnte und riss die Finger auseinander. Der Daumen lag ihm am nächsten. Der Daumen. Nicht gut. Er riss sich zusammen, schnitt mit einem Ruck das obere Glied des kleinen Fingers ab, steckte es in eine Plastiktüte, die er aus seiner Tasche gezogen hatte, und legte es auf den Tisch.
    Er wisperte: „Ich kann jederzeit wiederkommen.“ Er lachte heiser. „Aber dann möchte ich ein Ohr oder, noch besser, ein Auge.“ Er lachte noch einmal, beleuchtete Hand und Fingerglied. Dann schaltete er die Lampe aus. Mit der Faust schlug er die Laus bewusstlos.
    Er nahm den abgetrennten Teil des Fingers mit. Seine Kollegen würden ihn bemitleiden, man würde seine Wohnung nach Spuren absuchen, die ganze Wohnung, obwohl er wiederholen würde, dass der Eindringling nur im Flur und in der Küche war. Sie würden nichts finden und es schließlich auf sich beruhen lassen. Das oberste Glied des kleinen Fingers, das reichte nicht einmal für einen Prozentsatz im Schwerbehindertenausweis. Wenn die Laus später nachfragte, darauf beharrte, dass sie weiter ermitteln sollten, würden sie erst genervt gucken, dann den Kopf schütteln, um ihm endlich auszuweichen, bevor der Chef ihn beurlaubte, ihm die Kündigung nahelegte … kleiner Finger, große Wirkung.
    Er überlegte, ob er die Haustür hinter sich schließen sollte. Er entschied sich dagegen. Vielleicht nutzte ein Obdachloser oder ein Dieb die Gelegenheit und stiftete ein bisschen Spurenverwirrung für die Polizeiratten.

2
    Winzenburg, Sonntag, der 4.9.2011
    Kaum hatte er die Wagentür geöffnet, hüpften die drei Mädchen heraus. Während er den Kofferraum öffnete, um die Rucksäcke zu verteilen, hielt seine Frau mit ihrem Ford neben ihm an.
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