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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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Einzelteile in Körper der dritten und der vierten Kategorie einzubauen. Das war die ganz normale Praxis, und die Empfänger solcher Austauschkörper Waren froh, denn so gelangten sie in den Besitz oft vollwertiger Herzen, Lebern, Lungen und so fort der Kategorie I oder II.
    Immerhin mußte der Alte, bevor er bettelnd auf der Straße lag, einen halbwegs einträglichen Job gehabt haben, denn er hatte mit seinem Körper noch Glück. Arbeiter mußten sich mit Körpern der letzten beiden Kategorien, fünf und sechs, zufrieden geben. Das bedeutete grundsätzlich schlechte Augen, faulende Zähne, Gelenkerkrankungen, Schwerhörigkeit, partielle Impotenz, die Geschlechtsverkehr nur zum Zwecke der Zeugung zuließ, und eine generelle Anfälligkeit für Krankheiten aller Art. Da die Arbeiter sich bessere und damit teurere Körper nicht leisten konnten, waren sie auf den Medizinischen Dienst angewiesen, der ihnen gerade jenes Geld aus den Taschen zog, mit dem sie sich mühsam einen besseren Körper zusammensparen wollten. Zudem erlebten sie oft, daß ihre Körper, für die während der Wartung, Überholung und Inspektion kein Ersatz gestellt wurde, wochenlang auf der Liste standen, in der Zwischenzeit ließen sie sich, um ihre Position nicht zu verschlechtern, tiefgekühlt lagern. Die entsprechenden Wartezeiten bedeuteten einen unersetzlichen Verlust von Zeit und Geld und von Leben an sich.
    Bei Arbeitern wurde in der Regel ohnehin nur eine Ausnahme gemacht, wie sie wenigstens an bessere Glieder kommen konnten. Wenn ihre Arbeit es erforderlich machte, wurde ihnen, leihweise und zu beträchtlicher Gebühr, Spezialgliedmaterial überlassen. Jene Arbeiter, die etwa an den Fließbändern standen, erkannte man beispielsweise an ihren gewaltigen Pratzen und ihren muskulösen, geschmeidigen Armen.
    Die Müllkutscher in den Außenregionen, wo es keine automatischen Müllschlucker gab, besaßen verstärkte, federnde Beine, und die Lebensmittel- und Brauereiarbeiter wurden mit Spezialmägen versehen, damit sie nicht in Versuchung gerieten, ihre Arbeitgeber zu betrügen. Das krasseste Beispiel, so hörte man, waren wohl die Bergleute in den Gold-, Silber- und Diamantenminen in Südafrika. Um der Gefahr des Diebstahls zu begegnen, wurden sie nur eingestellt, wenn sie es sich gefallen ließen, ohne natürliche Körperöffnungen zu leben, also mußten sie ihre Mahlzeiten durch künstliche, anschraubbare Trichter einnehmen und Schallwellen über verstärkende Membranen empfangen, von der Art, wie sie ihre Exkremente von sich gaben, schweigen wir besser ganz.
    Diese Gedanken schossen Robert durch den Kopf, und ihn graute vor dem Gedanken an die Mittellosigkeit, die ihn zwingen konnte, solche Nachteile in Kauf zu nehmen. Gleichwohl fühlte er sich, 24 Jahre alt, noch zu jung, um sich jetzt schon von seinem natürlichen Körper zu trennen.
    Ein Kranwagen fuhr vor, einige bullige Kranwächter sprangen auf die Fahrbahn und auf den Gehweg, beugten sich über den Alten, schlugen ihm je einen Haken in Brust und Rücken und hievten seinen Sozialkörper auf die Pritsche, auf der noch mehrere andere Körper lagen. Sie hatten am frühen Morgen den Zentralpark am Wall abgesucht und sich genötigt gesehen, das übliche Dutzend Körper zu bergen.
    Robert gab Gas.
     
    IX
    In Eilmärschen zogen dicke, giftiggrüne Wolken – ein schöner Gruß von den Produktionsstätten Grönlands – am Himmel auf, dann brach fast schlagartig Finsternis über die Stadt herein, Sekunden später jagten pfeifend Raketen zwischen die Wolken, versprühten, explodierend, ihre Ladungen Silberjodid, doch der Wettersturz war nicht mehr aufzuhalten. Dann regnete es Stickstoff und Schwefel, die Erde kreischte auf, in der Ferne glühten die Feuer der Werften und Fabriken wie fiebernde Augen in der Nacht.
    Die Fußgänger waren auseinandergespritzt, als wäre unter ihnen eine Bombe aus dem Hinterhalt explodiert. In die Schutzbunker, von denen noch viele aus dem letzten Krieg standen, ging die Flucht, Sirenen quäkten von den Dächern. Ganz langsam fuhren die Autos, vorsichtig, im flackernden Laternenlicht versuchten ihre Chauffeure durch schmierige Scheiben zu erkennen, was ihnen die trüben Scheinwerfer wiesen.
    Robert hatte es bis in die Nähe der Großen Weserbrücke geschafft, als er dort warnende Blaulichter aufragen sah wie von Leuchttürmen, die einäugig in die Runde blitzen. Mitten auf der Brücke hatten sie eine Sperre improvisiert, ein mächtiges Bollwerk aus
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